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Atomares Kesseltreiben

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Eine typisch österreichische Affäre erhitzt zur Zeit die ohnehin spannende Innenpolitik: die sogenannte „Affäre Spann“. Typisch österreichisch deswegen, weil sich in der Zwischenzeit die Fronten derart verhärtet haben, daß der unbefangene Beobachter den Eindruck gewinnen muß, hier sollen wieder einmal nackte parteipolitische Interessen der Sachlichkeit geopfert werden.

Ein österreichisches Nachrichtenmagazin hat sich der Angelegenheit mit großem Elan angenommen und wurde auch prompt beschlagnahmt; ob zu Recht oder Unrecht, läßt sich gegenwärtig schwer sagen — sicher ist jedoch, daß die einseitige und lieblos recherchierte Story eher Verwirrung stiften mußte, als Licht in das atomare Dunkel zu bringen.

Eine Beschäftigung mit der Vergangenheit des Hauptdarstellers, Dr. Raphael Spann (Sohn des berühmten Nationalökonomen) sowie der „österreichischen Gesellschaft für Atomenergie“ (SGAE) ist jedenfalls angebracht: Spann kam zu Begin des Zweiten Weltkrieges ins KZ, wurde jedoch noch während des Krieges entlassen und erhielt einen verantwortungsvollen Posten in der deutschen Flugzeugindustrie. Nach dem Krieg verschleppten ihn die

Russen in die Sowjetunion. Nach seiner Rückkehr nach Österreich wurde er insbesondere von Bundeskanzler Raab gefördert, obwohl Spanns Bande zur ÖVP schon damals nicht die engsten waren.

• Der gelernte Jurist wurde in der neu gegründeten Atomenergie-Gesellschaft dem bekannten Wissenschaftler Higatsberger als kaufmännisch-administrativer Geschäftsführer beigegeben, wobei die ursprüngliche Konzeption diejenige war, daß die Gesellschaft „nach kaufmännischen Grundsätzen“ zu führen sei; an dieser Urlüge krankt sie aber noch heute, denn in der Zwischenzeit hat sich herausgestellt, daß eine Studiengesellschaft nach anderen Gesichtspunkten zu führen ist als ein auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen. Tatsächlich lebt die SGAE im wesentlichen von staatlichen Subventionen.

• Die um die Person Spanns kreisenden Korruptionsgerüchte brauchen -hier nicht näher erörtert zu werden,

da sie ohnehin hinlänglich bekannt sind und im wesentlichen immer wieder die angeblich zweckwidrige Verwendung von Forschungsgeldern betreffen.

Bereits vor fünf Jahren wurden ähnliche Anschuldigungen gegen Spann erhoben; damals sollte Spann einen leitenden Posten in den Stick-stoffwerken erhalten, worauf eine heftige Kampagne gegen ihn begonnen wurde. Ein „schwarzes Dossier“ wurde verfertigt und vom ÖAAB publiziert. Tatsächlich wurde auch aus dem Stickstoff Werkeprojekt nichts, und Spann blieb Geschäftsführer der Gesellschaft für Atomenergie, wo er es kaum der Mühe wert fand, zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Und in der Folge verstummten die Gerüchte auch (vielleicht auch deshalb, weil manche wohl gerechnet hatten, daß der nicht mehr junge Spann ohnehin bald den Hut nehmen werde).

Vor rund einem Jahr setzte es sich die SPÖ nun in den Kopf, Higats-berger und Spann einen dritten Geschäftsführer beizugeben. Die Begründung lautete auf „Herstellung einer engeren Kooperation zwischen Seibersdorf und dem Versuchsgelände Arsenal“ — der echte Grund dürfte jedoch eine Art „Aufpasser-funktion“ gewesen sein.

Der solcherart „promovierte“ Verwaltungsjurist Bandion wollte jedoch die Präsidentschaftskanzlei nicht gerne verlassen; eingeweihte Kreise meinen, daß ihm wohl das Salär eines dritten Geschäftsführers zu mager gewesen sein mag. Bandion wollte daher den Posten Spanns; das war allen Eingeweihten klar. Die ÖVP startete eine parlamentarische Anfrage an Frau Minister Firnberg, die ihrerseits im Hohen Hause erklärte, daß sie nichts von Bandions Affinität zur SPÖ gewußt habe. Jedenfalls hat Bandion seine Funktion bis heute nicht angetreten.

Die Sozialistische Korrespondenz begann nun, sich in das Kesseltreiben einzuschalten, wobei insbesondere die alten Gerüchte gegen Spann wieder aufgekocht und neu serviert wurden: der Aufsichtsrat der Gesellschaft nahm eine Untersuchung gegen Spann vor, wobei insbesondere der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Erbacher( der seinerseits den Sozialisten zugezählt wird), großen Eifer zeigte; daß sich die Vorwürfe gegen Spann als unfundiert erwiesen, jedoch einiges Material gegen Erbacher aufgetaucht war, ist mitlerweile lediglich ein skurriles Nebenprodukt einer immer undurchsichtigeren Affäre.

Die SPÖ, von der fixen Idee besessen, daß Spann einfach „weg müsse“, gab sich mit der Untersuchung nicht zufrieden und verlangte die Einsetzung einer Untersuchungskommission, die ihrerseits bisher nichts Brauchbares zutage förderte. Immer noch nicht zufrieden, wurde die Einberufung einer Gesellschaftsversammlung für letzten Freitag beschlossen — und Spann bei dieser mehrheitlich enthoben.

Sicherlich wird aber Spann diese Enthebung nicht hinnehmen und arbeitsgerichtliche Schritte unternehmen.

Gleichfalls hat sich die Wirtschaftspolizei eingeschaltet, um gegen Spann zu ermitteln. ÖVP-Ab-geordneter König teilte wiederum mit, daß gegen Bandion Strafanzeige wegen Verdachts auf das Verbrechen des Amtsmißbrauchs und der Verleumdung erstattet worden sei.

Der gleiche Abgeordnete richtete auch neulich ein Telegramm an Bundeskanzler Kreisky, worin er vor einem Akt politischer Willkür warnt und für Spann ein ordentliches Verfahren fordert.

Eingeweihte meinen, daß Spann eine äußerst komplexe und undurchsichtige Persönlichkeit sei; einander widersprechende Erklärungen zur Person Spann sind gleichfalls nicht dazu angetan, die Angelegenheit zu erhellen. Aber auch die ÖVP steht nicht hinter Spann — was die Haltung der Seibersdorf er ÖAAB-Fraktion zeigt. '

Wie auch immer: die Forderung des Abgeordneten König, Spann ein ordentliches Verfahren zu machen, dürfte das Vernünftigste In dieser Situation sein. Ein intimer Kenner der Materie drückte es so aus: „Ich will Spann nicht verteidigen; es kann durchaus sein, daß an den Vorwürfen etwas dran ist — aber der Weg, wie man versucht, ihn fertig zu machen, ist eine Sauerei. So könnte man auch einen Unbescholtenen zur Strecke bringen.“

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