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Bonjovu; Mickey?

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Rund 30 Kilometer östlich der französischen Hauptstadt Paris graben sich Bulldozer bereits durch die Zuckerrübenfelder. In knapp zwei Jahren soll hier das weltgrößte Disneyland entstehen. 1992, so hoffen die amerikanischen Manager des Disney-Konzerns, wird Mickey Mouse Millionen ver- gnügungssuchender Europäer in der amerikanischen Traum- und Märchenwelt begrüßen können. Damit Euro-Disneyland auch wirklich ein Erfolg wird, überschwemmt bereits jetzt eine

Flut von Filmen aus der Werkstatt Walt Disneys die europäischen Fernsehstationen. Bis zur Eröff- nung des Vergnügungsparks soll das Publikum schon richtig in Stim- mung sein.

Elf Millionen Besucher jährlich aus ganz Europa erhofft sich Ro- bert J. Fitzpatrick, Vorsitzender von Euro-Disneyland. Trotzdem pla- gen ihn auch einige Sorgen. Wer- den sich die Europäer, insbeson- dere die Franzosen, auch wirklich mit der glitzernden amerikanischen Traumwelt anfreunden können? Sogar Jacques Chirac, der Pariser Bürgermeister, sinnierte:„Es wird nicht einfach sein“. Fünf neue fran- zösische Vergnügungsparks ähnli- cher Art kämpfen bereits ums Über- leben...

Zahlreiche Franzosen können „Monsieur Mickey“ schon jetzt nicht leiden. Die bekannte Pariser Theaterdirektorin Ariane Mnouch- kine nannte Euro-Disneyworld sogarein „kulturellesTschernobyl“, hieß es kürzlich in der „Internatio- nal Business Week“. Die französi- schen Kommunisten werfen der Re- gierung, die das Projekt tatkräftig unterstützt, eine „Ausbeutung der

französischen Steuerzahler“ vor; einige Genossen bewarfen den ame- rikanischen Disney-Chef Michael D. Eisner vergangenen Herbst in Paris sogar mit faulen Eiern.

Keiner der Disney-Leute zwei- felt aber wirklich am Erfolg von Euro-Disneyworld. Bis jetzt kamen immerhin jährlich mehr als zwei Millionen Europäer in die ameri- kanischen Vergnügungsparks. Im Einzugsbereich der französischen Hauptstadt allein können 17 Mil- lionen Menschen innerhalb von zwei Stunden ins Euro-Disneyland kommen, mit dem Flugzeug theo- retisch sogar 310 Millionen. Der Markt ist also wesentlich dichter als in den USA selbst.

Kräftig mitnaschen an der Dis- ney-Traumwelt möchte vor allem die französische Regierung. Sie ist den amerikanischen Managern beim Zustandekommen des Projek- tes auch sehr entgegengekommen. So liegt der Vergnügungspark ge-

nau am Schnittpunkt von vier ge- planten Hochgeschwindigkeits- bahnlinien. Spätestens 1994 wer- den britische und holländische Rei- sende Richtung Spanien nicht durch Paris, sondern direkt an Euro-Dis- neyland vorbeikommen. Die fran- zösische Hauptstadt wird dann nur mehr ein „Abstecher“ von Disney- land sein.

Disneyworld ist aber nicht der einzige amerikanischen Großkon- zern, der den Sprung nach Europa wagt. Der Film-Multi MCA bei- spielsweise plant die baldige Eröff-

nung eines Film-und Erlebnisparks in der Nähe Londons. Ebenso der Hollywood-Riese MGM, der in Paris zusammen mit Euro-Disney ein ähnliches Projekt verfolgt.

Es ist aber nicht nur die kulturel- len Abneigung vieler Franzosen, die den Betreibern von Disneyland noch Kopfzerbrechen bereitet. Viele Eu- ropäer, so vermuten schon jetzt ei- nige Manager, werden von Euro- Disneyland vielleicht enttäuscht sein, weil sie damit auch immer das sonnige Florida und typisch ameri- kanisches Showbusiness verbinden.

In Paris prallen französischer Skeptizismus und amerikanische Unternehmungslust zusammen. Um in Euro-Disneyland trotzdem ame-

rikanisches Flair entstehen zu las- sen, werden die 12 000 Angestell- ten des Parks - die Hälfte von ihnen Franzosen - auf amerikanische Sprach- und Umgangsformen ge- trimmt. Mickey parliert natürlich nicht nur Englisch, sondern auch Französisch.

Während der kalten Wintermo- nate in Frankreich muß der Park entweder zusperren - oder kräftig heizen. So prophezeit Disney-Chef Fitzpatrick schon jetzt, daß Euro- disneyland bald „der wärmste Platz in ganz Paris sein wird“. In allen größeren Gebäuden und Zentren des Parks sollen eigene Kamine mit Holzfeuerung während der kalten Jahreszeit für das Wohlbehagen der Besucher sorgen.

Wenn Disneyland aber einmal er- öffnet ist, werden viele Franzosen ihre Abneigung überwinden, so hof- fen zumindest die Disney-Konzern- leute. KP-Mitglied Lucien Marest meinte auch, daß viele Genossen ganz gewiß mit ihren Kindern ins Disneyland kommen werden, auch wenn sie jetzt das ganze noch als „Enklave ausländischer Arroganz“ betrachten.

„Auch wir lernen dazu,“ bekann- te Fitzpatrick. „Wenn Mickey Mou- se Millionen Europäer begrüßt, werden viele Vorurteile fallen. Und wenn der Ruf nach Wein oder Bier ertönt, werden auch wir im Disney- land von unserer bisherigen Linie des Alkoholverzichts abkehren und den kleinen kulturellen Schock aus- halten.“

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