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Bruno Kreisky, Sex und Crime

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Das Bundeskanzleramt plant die Gründung einer Gesellschaft, deren unmittelbarer Zweck die Herstellung von Fernsehkassetten sein soll, die aber zweifellos weiter gesteckte Ziele auf dem Gebiet der Massenmedien verfolgt. Initiator dieses Planes und künftiger Teilhaber ist der ehemalige ungarische Gewürzhändler Josef Ferenczy, im Moment Geschäftsführer der Ferenczy Presse Agentur KG in München.

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Das Bundeskanzleramt plant die Gründung einer Gesellschaft, deren unmittelbarer Zweck die Herstellung von Fernsehkassetten sein soll, die aber zweifellos weiter gesteckte Ziele auf dem Gebiet der Massenmedien verfolgt. Initiator dieses Planes und künftiger Teilhaber ist der ehemalige ungarische Gewürzhändler Josef Ferenczy, im Moment Geschäftsführer der Ferenczy Presse Agentur KG in München.

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Der Bundeskanzler wird sich von Herrn Ferenczy trennen müssen. Mag man bisher den von ihm geförderten Plan einer zukunftsträchtigen Kassetten-Fernsehgesellschaft, an der die Republik Österreich, der Verleger Axel Springer und Josef Ferenczy beteiligt sein sollen, als einen kühnen politischen Trapezakt bewundert haben — nach alledem, was inzwischen über Ferenczy bekannt wurde, läuft der Bundeskanzler Gefahr, daß man sich seinetwegen genieren wird müssen.

Herr Ferenczy, Dr. Kreiskys neuester Berater für Public Rela-tions und weitreichende Fernsehprojekte, ist einer, mit dem kein österreichischer Bundeskanzler sich an einen Tisch setzen kann. Er ist Gründer der bekannten Münchner Pornofabrik, in der jene frei erfundenen Sexgeschichten produziert werden, von welchen die bundesdeutschen Popo-und Busenblätter leben. Man kennt Kreiskys Meisterschaft im Verkehr mit Photographen und Biographen, die ihm bisher stets zum Vorteil gereichte; am Verkehr mit Pornographen wird er jedoch Schaden nehmen.

Herr Ferenczy ist nicht einmal einer, dem ein österreichischer Bundeskanzler die Hand reichen dürfte. Ein Mann, der, wie Josef Ferenczy, in den Nachkriegsjahren Mitglied einer Fälscherbande war, mit deren fabrizierten Pässen sich Schleichhändler und Kriegsverbrecher nach Südamerika absetzten; ein Mann, der, wie Josef Ferenczy, nach langer Fahndung vom Sicherheitsbüro gefunden, zehn Monate in Untersuchungshaft saß; ein Mann, der, wie Josef Ferenczy, gegen Kaution enthaftet, kurz vor Beginn seines Prozesses ins Ausland flüchtete; ein Mann, der, wie Josef Ferenczy, unter dringendst aufklärunigsbedürftigen Umständen die österreichische Staatsbürgerschaft via Tirol erhielt, obwohl er bis 1965 in Wien zur Fahndung ausgeschrieben war — so ein Mann ist keines Handschlags eines österreichischen Bundeskanzlers würdig, auch wenn er seither zu den Parade-Ungarn des Wiener Opernballes avanciert ist.

Wenn Vizekanzler Häuser in der Vorwoche die Anfrage der Opposition, ob es mit der Gründung einer Firma Republik Österreich-Axel Springer-Josef Ferenczy seine Richtigkeit habe, eindeutig bejahen mußte, wird man nun fragen müssen, wer da wen hineinlegt. Die österreichische Staatspolizei funktioniert exakt und schnell, sobald im Umkreis der Staatsführung ein neuer Name auftaucht. Ist es denkbar, daß der zuständige Referent dem scheidenden Leiter der Staatspolizei den Akt Ferenczy vorenthielt, weil dieser stets ein ungeliebter Chef war? Ist es denkbar, daß Ministerialrat Häusler den Akt Ferenczy zurückbehielt, weil er und sein Vorgesetzter stets Rivalen waren? Ist es denkbar, daß Sektionschef Peterlunger den Akt Ferenczy seinem Minister bloß deshalb nicht ausfolgte, weil ihm dessen Politik nicht paßt? Und ist es, schließlich, denkbar, daß Minister Rösch seinem Kanzler diesen Akt verschwieg, weil innerhalb der SPÖ die Gruppe um Rösch eifersüchtig auf die von Kreisky favorisierte Gruppe um Leopold Gratz ist?

Undenkbar ist nur zweierlei: erstens, daß im Archiv der Staatspolizei kein Akt Ferenczy existiert; und zweitens, daß der österreichische Bundeskanzler in voller Kenntnis aller Fakten dieses Aktes eine Partnerschaft mit Herrn Ferenczy erwog. Der Herr Bundeskanzler wird sich also sowohl von Herrn Ferenczy trennen als auch mit dem Innenministerium näher befassen müssen.

Dr. Bruno Kreisky, ein Mann von größerem physischem Mut als die meisten seiner Kollegen, und manche seiner Vorgänger, hat, vor kurzem erst, in einem recht prekären Augenblick gesagt: „Ein österreichischer Bundeskanzler verläßt ein Haus nicht durch die Hintertür!“ Dr. Kreisky muß nun auch den moralischen Mut aufbringen und aus seinem Mißgriff im Falle Ferenczy die Konsequenzen ziehen. Ein österreichischer Bundeskanzler läßt einen Josef Ferenczy nicht in sein Haus — auch nicht durch die Hintertür. Deshalb wird er sich von diesem Herrn trennen müssen: rasch, eindeutig und für immer.

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