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Kassette — Blamage bis Pleite?

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Die Affäre rund um das große Geschäft mit dem Kassettenfernsehen, das der Österreichs Zeitungslesern mittlerweile wohlbekannte Josef Fe-renczy mit Österreichs Bundeskanzler Bruno Kreisky und Deutschlands Sozialistengegner Axel Springer machen möchte, ist in ein neues Stadium eingetreten, in dem nun Fragen nach wenige Monate zurückliegenden Vorgängen viel interessanter erscheinen als solche nach der weiter zurückliegenden (wenn auch keineswegs uninteressanten) Vergangenheit von Herrn Ferenczy.

Denn seit einer Woche steht eine Behauptung im Räume, die, wenn ihr nicht klar und deutlich entgegengetreten werden kann, unseres Erachtens nur eine Möglichkeit offenläßt. Wir zitieren noch einmal Axel Springers bereits in der letzten FURCHE wiedergegebene Feststellung: „Mit Herrn von Ferenczy hatte ich eine wenige Minuten dauernde Unterhaltung über das Kassettenfernsehen. Wenn wir uns mit Herrn von Ferenczy über eine Zusammenarbeit auf dem audiovisuellen Bereich in Österreich unterhalten haben, so geschah es, weil, wie Herr von Ferenczy sagte, er im Auftrage des Herrn Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky sprach. Herr von Ferenczy war es, der die Anregung einer Zusammenarbeit an uns herangetragen hat.“

Es fällt uns sehr schwer, dieser von Axel Springer unterschriebenen Erklärung nicht zu vertrauen. Doch es fällt uns auch sehr schwer, zu glauben, daß tatsächlich Bundeskanzler Kreisky Herrn Ferenczy mit einem Verhandlungsauftrag in Sachen Kassettenfernsehen zu Axel Springer entsandt haben könnte.

Es könnte natürlich auch so gewesen sein, daß Josef Ferenczy Springer gegenüber mit einem nicht existierenden Verhandlungsauftrag Kreiskys operierte, um mit dem Zeitungsmagnaten überhaupt ins Gespräch zu kommen, und daß er dann, Springers mehr oder weniger verbindlich geäußertes Interesse in der Hand (und möglicherweise vergrößernd), zu Kreisky pilgerte. Man könnte sich ferner vorstellen, daß Ferenczy bei irgendeiner (aufklärungsbedürftigen!)Gelegenheit Kreisky ein Wort des Interesses entlockte, das er eigenmächtig als Verhandlungsmandat wertete — man sieht, die Affäre verliert sich in einem Dschungel der Fragen und Möglichkeiten, der dringendst der Aufhellung von kompetenter Seite bedarf.

Solche Aufklärung in solchem Stadium kann nur noch von Bundeskanzler Kreisky kommen, und es ist schwer vorstellbar, daß sie in der Wiederholung des von Ferenczy zitierten Kreisky-Wortes ,',Die Geschichte wird gemacht“ gipfelt. Gerade ein durch und durch integrer, in geschäftlichen Dingen vielleicht manchmal etwas argloser Mann wie der österreichische Bundeskanzler (und die Überzeugung von seiner Integrität sei hier in aller Entschiedenheit betont) kann durch die Methoden eines Geschäftsbereiches wie desjenigen, in dem sich Ferenczy betätigt, in eine Situation gebracht werden, aus der ihn nur ein klares Wort und ein klarer Schlußstrich befreit. Ein gewisses Zögern mag menschlich begreiflich sein, ein allzu langes Zögern könnte zu Mißverständnissen führen.

Ausgelöst wurde die in einem per' sönlichen Brief Axel Springers an „Profil“-Chefredakteur Nowotny gipfelnde jüngste Entwicklung durch ein Interview, welches „Das unabhängige Magazin Österreichs“ mit Ferenczy veranstaltete.

Springer schrieb unter anderem: „In den wenigen Minuten unseres Zusammenseins war es nicht möglich, festzustellen, ob ich mit Herrn von Ferenczy .menschlich wie politisch' harmoniere. Was ich über Herrn von Ferenczys politische Haltung weiß, entstammt einem Fernsehfilm vom vergangenen Jahr. Da heißt es: £r verhält sich politisch neutral ... Früher hatte er konservative Neigungen. Heute hält er auch die Sozialdemokraten für salonfähig.'“

Da mittlerweile bereits sogar die Version eines Kassetten-Abkommens zwischen Republik Österreich und Springer-Konzern ohne Ferenczy angedeutet wurde, sei an dieser Stelle klar betont, daß es beim Ja oder Nein zu diesem Abkommen nicht um die Person Ferenczy und überhaupt nicht um Persönliches geht, sondern nur um Vor- und Nachteile für die Republik Österreich. Leider verspricht gerade ihr die hoffnungsfroh eingefädelte Kassetten-Ehe Maximierung möglicher Nachteile.

Denn Ferenczy spricht viel, und er sprach zweifellos eine Wahrheit aus, als er sagte: „Zu alledem hatte ich dann für meine Konkurrenten den tödlichen Gedanken, indem ich sagte, daß keine Firma in der Lage sein wird, dieses Problem zu meistern, sondern nur eine Gesellschaft, die halb staatlich und halb privat ist.“

Das kann doch, in Klartext übersetzt, nur heißen: Selbst ein großer Konzern ist nicht reich genug, das Kassettenfernsehen bis zur Serienreife und Marktfähigkeit zu entwickeln — oder zu weitblickend, um zu glauben, die eingesetzten Beträge könnten sich in absehbarer Zeit amortisieren. Die Republik Österreich kann es sich leisten. In ihrer Großmannssucht wird sie tun, was viel größeren Staaten nicht im Traume einfällt. Ein Königsgedanke, fürwahr. Bloß nicht vom Standpunkt wohlverstandener österreichischer Interessen.

Die großev. Reden, die noch vor wenigen Jahren über die Zukunft des Kassettenfernsehens gehalten wurden, haben einem betretenen Schweigen Platz gemacht. Heute vermag niemand abzusehen, wann sich die möglichen Partner einer internationalen Kassetten-TV-Zusammenarbeit auch nur auf ein gemeinsames System einigen werden. Die Berater des Kanzlers sollten sich lieber heute als morgen klarmachen, daß Österreich größenwahnsinnig wäre, würde es glauben, durch einen einsamen Entschluß einer Entscheidung der Großen (und die Großen dieser Branche sind wesentlich größer als Springer) vorgreifen und ihnen seinen Willen aufzwingen zu können.

Österreich müßte viele Millionen, wahrscheinlich Milliardenbeträge investieren — bis zur Marktreife eines Kassettenfernsehens, das dann von der internationalen Entwicklung möglicherweise, ja mit erheblicher Wahrscheinlichkeit, links liegengelassen würde. Damit wären diese Millionen in denselben Rauchfang zu schreiben, in dem bereits die Stadthallen-Millionen zu Buche stehen — nur, daß dieser Rauchfang noch etwas höher wäre. Mit einem Minimum an Weitsicht müßten die Kanzlerberater erkennen, daß die Republik Österreich, in einem Abkommen Österreich—Springer—Ferenczy (oder auch nur Österreich— Springer) der sichere Verlierer wäre.

Ferenczy würde mindestens das sichere Geschäft aller Vermittler machen, denen es gleichgültig sein kann, ob die Leute, die sie zusammenbringen, Millionen verdienen oder Millionen verlieren. Axel Springer könnte in eine solche Partnerschaft alle bereits in das Kassettenfernsehen gesteckten

Eigeninvestitionen einbringen und damit drohende Verluste in Aktivposten verwandeln. Zur Kasse würde der österreichische Steuerzahler gebeten.

Eine solche Entwicklung könnte eines Tages alle Fragen nach Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eines Herrn Ferenczy unbedeutend erscheinen lassen — und auch die Frage, ob man ihm 1973 die Hand geben konnte oder nicht. Es ginge dann nur noch um die politische Verantwortung für Rieseninvestitionen, deren Nützlichkeit zu erklären so schwer fallen könnte wie die Rechtfertigung des Stadthallen-Abenteuers. Wobei sich fragt, ob das Bundeswahlvolk eine Kassettenpleite so unberührt zur Kenntnis nähme wie das Wiener Wahlvolk die Stadthallen-Pleite.

Ein Hoffnungsschimmer für Kassetten-Skeptiker: Zwischen den Partnern des einst bereits „unterschriftsreifen“ Abkommens bestehen neuerdings Meinungsverschiedenheiten über Ziel und Zweck des Ganzen. Die Republik möchte ein Kassettenfernsehen für Bildungszwecke — idealistisch, aber noch verlustträchtiger. Die andere Seite versteht immer nur Unterhaltung und hätte dieses Wort gerne im Vertragstext. Die Sozialistische Jugend verlangt in einer Resolution TV-Kassetten nur für hochwertige Programme. Möglich, daß sich hier ein Loch auftut, das es möglich macht, unter Wahrung des Gesichts — auszusteigen...

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