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Cristaux de Boheme

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1822 kam der 1792 geborene Josef Lobmeyr aus Grieskirchen nach Wien und erhielt hier die Erlaubnis zur Führung eines „Glaserladens“, den er auch im nächsten Jahr in der Weihburggasse eröffnete. Aber schon im darauffolgenden Jahr erhielt er das Meister- und Bürgerrecht und übersiedelte in ein Eckgeschäft an der Kärntnerstraße. In einigen Jahren wurde er dann Hoflieferant und konnte seinen Konkurrenten am Graben aufkaufen, Glashütten in Böhmen und Slawonien erwerben. Sein Sohn Ludwig, der nach dem Tod seines Vaters (1855) und seines älteren Bruders die Firma 1864 übernahm, war mit dem Gründer und Leiter jenes Museums eng verbunden, das nun die 150jährige Geschichte der Firma Lobmeyr, die die Geschichte der österreichischen Glaskunst im 19. Jahrhundert überhaupt bedeutet, durch eine sehr schöne und interessante Ausstellung ehrt. Ihre Aufstellung in der Galerie und im Eitelberger-Saal erscheint beziehungsvoll, da Ludwig Lobmeyr an den Reformbestrebungen Eitelber-gers, die der heimischen Kunstindustrie galten, größten Anteil nahm und sie unterstützte und förderte.

Aus den Sammlungen des 1864 gegründeten Museums für Kunst und Industrie nahm Ludwig Lobmeyr dann seine Vorbilder, die er im Geschmack des „Historismus“ umwandelte und in den böhmischen Werkstätten von zahlreichen Glaskünstlern ausführen und dekorieren ließ. Er wurde damit zum eigentlichen Schöpfer der damaligen österreichischen Glaskunst, deren eigener Charakter den Namen „Lobmeyr-Stil“ erhielt und auf zahlreichen Weltausstellungen Erfolge und Ehrungen ernten konnte.

Uns erscheinen heute viele der damaligen Erzeugnisse des „Historismus“ bei aller bewundernswerten handwerklichen Vollkommenheit zu sehr mit Dekor beladen und in ihren nachempfundenen Formen nicht immer glücklich. Das gilt aber für die Übertragung von persischen Fayencemustern auf Glas oder die pseudogriechischen Schnörksel eines Theopil-Hansen-Dekors ebenso wie für die pseudomodernistischen Vasen mit ihren „Siegfrieden“ und „Prinz Eugens“. Die schönsten und begeisternden Leistungen des Hauses Lobmeyr liegen eben gerade dort, wo der Dekor nur sparsam oder gar nicht erscheint und die Form und das edle Material des Glases in ihrer ganz spezifischen „lobmeyrischen“ Zartheit und Eleganz zur Geltung kommen. Da sieht man dann sogar einen eigenen Stil, ja eine klare Linie, die von dem schönen und schlichten Tafelservice Ludwig Lob-meyrs von 1856 zu den nach Entwürfen von Josef Hoffmann, Adolf Loos, Oskar Strnad, Oswald Haerdtl ausgeführten Arbeiten führt und anscheinend sogar das „österreichische“ in einer Formgebung sichtbar machen.

Daß die Firma Lobmeyr nach dem letzten Krieg für die Metropolitan Opera und das Kennedy-Center in New York und den Kreml in Moskau riesige moderne Luster geliefert hat und damit der heimischen Glasindustrie wieder internationalen Namen verschaffte, sei nur am Rande vermerkt. Eine faszinierende Ausstellung, die man bald besuchen sollte, da sie nur bis 22. Juli offen hält.

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