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Digital In Arbeit

Der rollbrettfahrende Herr Generalmanager

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Hals über Kopf ist unsere Firma zu einem Generalmanager (sprich: Tschennerellmänätscher) gekommen wie die hinlänglich bekannte Jungfrau zu ihrem hinlänglich bekannten Kind (womit ich einen abgedroschenen Vergleich herbeigezogen habe, den ich mit der abgedroschenen Erklärung von „abgedroschen, aber wahr” entschuldigen kann).

Doch lassen wir solch spitzfindige Gedankenakrobatik und wenden wir uns im Interesse der Sache deren Kern zu, nämlich dem goldenen Kalb, von dem sich ein rezessionsgeschädigter Betrieb goldene Kolumbus-Eier erhoffte.

Der neue Generalmanager unserer Firma stellte sich in einer eigens zu diesem Zweck einberufenen Personalsitzung wie folgt vor: Fünfunddreißig Jahre alt, kaufmännische Ausbildung in den Uhrenfabriken seines Vaters. Auslandserfahrungen (sieben Jahre Indien, zwei Jahre Malaysia, fünf Jahre USA, drei Jahre Paris, ein Jahr Tunesien, vier Jahre London), Mercedesfahrer, bisher zahlreiche Kaderpositionen (ein halbes Jahr Personaldirektor hier, ein Jahr Einkaufsleiter dort, ein halbes Jahr stellvertretender Direktor in jener Firma, neun Monate Marketingleiter in diesem Betrieb usw. etc.), früher einige Semester Schauspielunterricht, früher Amateurboxer (Schwergewicht), Mitglied bei mehreren einflußreichen Clubs und - gemäß eigener Aussage -immer bereit, mehr zu leisten, als man von ihm erwarte.

Nachdem er seine Vorstellung beendigt hatte, setzte sich unser Hundertki-lotarzan im Nadelstreifanzug wieder hin und steckte sich eine 25 Zentimeter lange Zigarre von drei Zentimeter Durchmesser zwischen die dünnen, harten Lippen unter der schiefen Boxernase. Dann entließ uns der Herr Generalmanager, von dem wir nun wußten, daß er zumindest keine Minderwertigkeitskomplexe hat.

Ein paar Tage nach der Selbstvorstellung unseres Generalmangers (bei der es - wohl zu seinem eigenen Bedauern - keinen Vorhang gab, der zum Schluß des Monologs unter dem frenetischen Applaus der Belegschaft noch mehrmals hätte hochgezogen und wieder gesenkt werden können), richtete er sich sein Büro ein, und zwar mit Stilmöbeln aus seinem Privatbesitz.

In diesem Antiquitätensaal erklärte der glattrasierte Schwergewichtsgorilla in Cardin-Maßanzügen jedem, der es wissen wollte, und allen, die's nicht wissen wollten: „Bisher mußte ich diese Möbel aus einer Erbschaft meiner Frau einlagern, jetzt spare ich mir die Lagerkosten.”

Und dann nahm der Herr Generalmanager seine Arbeit auf. Gemäß seinen eigenen Plänen wollte er eine Abteilung nach der andern neu organisieren. Seine erste Amtshandlung in der ersten Abteilung bestand in der fristlosen Entlassung des bisherigen Abteilungsleiters.

Nach ein paar Monaten, als diese Abteilung durch Office-Computer nach den Vorstellungen des Herrn Generalmanagers in ein beispielloses Kuddelmuddel verwandelt worden war, begann er mit der Neuorganisation der nächsten Abteilung, und die erste Amtshandlung bestand wiederum in der fristlosten Entlassung des bisherigen Abteilungsleiters.

Inzwischen verlangte der Herr Generalmanager vom übrigen Personal, daß es die statistischen Graphiken nicht mehr als Kurven darstelle, sondern in Kreisform mit eingetragenen Sektoren. Und er wurde nicht müde, uns die Vorteile seiner Neuerungen und damit auch seine Kapazität zu loben.

Das Tohuwabohu in unserem Betrieb wurde größer und größer, der einzige, der sich darin noch auskannte, war der Herr Generalmanager. Er sei nicht darauf angewiesen, sagte er, daß die Belegschaft all diese Neuerungen verstehe, Hauptsache sei, daß er wisse, was er tue. „Und ich weiß, was ich will” bekräftigte er.

Übrigens: unser Herr Generalmanager ist sehr liebenswürdig. Nicht zu uns, seinen Mitarbeitern, nein, zu seinem Hündchen. Dieses Hündchen haust im Antiquitätenpalast des unerschrockenen Reorganisationsfachmannes. Ich kenne den Markennamen dieser Hunderasse nichts ich weiß nur, daß diese Tierchen kaum größer sind als eine Ratte. Jedenfalls ist es herzig, wenn der Hundertkilo-Mann mit seinem Hundertgramm-Hündchen auf dem mächtigen Arm durch den Betrieb stolziert und nach Reorganisationsmöglichkeiten Ausschau hält.

Auch ist es ein imposanter Anblick, wenn der Herr Generalmanager Mittagessen geht: Der Muskelprotz im Maßanzug steigt auf ein Rollbrett und fährt darauf - in der Linken seine Riesenzigarre, in der Rechten sein Minihündchen - in ein naheliegendes Erstklass-Restaurant für gehobene Ansprüche (und dicke Brieftaschen). Als Mitglied der Chaine des Rötisseurs liegt ihm viel an einem gepflegten Mahl. Das Roll-

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