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Deutscher Urschrei

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Belehrt worden sind wir ja genug in den letzten Wochen und Monaten. Und wir haben sicher auch gelernt. Aber wie steht's mit den Oberlehrern der einzelnen Nationen? Wurde in Deutschland zum Beispiel darüber nachgedacht, was dieser .Anschluß“ bedeutete? Nicht nur für Österreich. Es hat sehr differenzierte Stellungnahmen gegeben: In der ,£eit“, in der „?AZ“, in der Süddeutschen“. Völlig aus dem Rahmen fiel der .Rheinische Merkur/Christ und Welt“ mit einem langen Pamphlet von Peter Meier-Bergfeld: „n den Nischen des Vergessens.“

Ob wir nicht eine geborgte Identität hätten, fragt der Autor. Daß wir Österreicher die besseren Deutschen sein wollten und auch die besseren Nazis gewesen seien, behauptet er. „Die sogenannte österreichische Nation ist aus Moskau gekommen“, postuliert er ohne Begründung. „Österreich ist partiell auch kein Rechtsstaat“, wird da festgestellt und: „)ie Oster-reicher sind ethnisch Bajuwaren, sprechen — germanistisch betrachtet - ostmittel-bayrisch und waren bis 1866, als sie um ihre Führung in Deutschland kämpften und verloren, die Vormacht Deutschlands.“

Ja, und dann haben wir uns aus der deutschen Geschichte fortgestohlen“, nicht wahr? Denn Bismarck brauchte uns nicht. Der kleindeutsche Bismarck kommt allerdings schon nicht mehr vor bei Peter Meier-Bergfeld.

Das alles haben wir ja schon vor Jahren ziemlich heftig durchdiskutiert. Manchen Kritikern Österreichs will partout nicht ins Hirn, daß historische Brüche Folgen haben.

Auch der „Umbruch“ 1938 hatte Folgen. Wir lernten zum Beispiel die Deutschen kennen. Und sie waren so, wie sich ein Peter Meier-Bergfeld präsentiert: Präpotent, belehrend, abkanzelnd — und ignorant. Diesen .Anschluß“ wollten nämlich nicht einmal die „Gesamtdeutschen“.

Meier-Bergfeld bietet uns dann am Schluß seines Artikels großzügig an, „als deutscher Alpenkleinstaat mitzuwirken an Mitteleuropa“. Und dann kommt's: „Ohne Wirtschaftsverflechtung mit der Bundesrepublik Deutschland wäre Osterreich ohnehin schon am Ende, ohne deutschen Tourismus eh.“

.JJachtigall, ik hör dir trapsen“, kann man da nur sagen. Wie wär's mit einer neuen 1000-Mark-Sperre, deutscher Bruder?

Der .Anschluß“ ist wirklich vorbei. Wer's noch immer nicht glauben will, der wird durch Leute wie Peter Meier-Bergfeld bekehrt.

Durch einen Urschrei aus dem deutschen Hinterwald.

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