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Dichter, Kirchenfürst

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Vor 125 Jahren, am 2. Dezember 1847, starb Johannes (sein späterer Ordensname) Ladislaus Pyrker von Felsö-Eör. Er wurde am 2. November 1772 in Nagy-Längh (in der ungarischen Stuhlweißenburger Grafschaft) geboren. 1796 empfängt er die Priesterweihe im Zisterzienserstift Lilienfeld und wird 1811 vom Konvent zum Abt gewählt.

Der kleine, bescheidene Mann wird, wohl ob seiner geistigen, aber auch diplomatischen Fähigkeiten (unter dem Einfluß des Kaisers Franz I.) 1818 Bischof von Zips, 1821 Patriarch von Venedig und 1827 Erz-bischof von Eger (= Erlau), dem einzigen ungarischen Bistum östlich der Donau.

Der hohe kirchliche Würdenträger verband aber stets mit dem Krummstab die Leyer des Poeten. 1820 entstand sein zwischen Klassik und Romantik stehendes zwölfgesängiges Heldengedicht „Tunisias', das die Heerfahrt Karls V. gegen Tunis zur Befreiung gefangener Christen besingt.

Und über sein zweites bedeutendes Versepos „Rudolf von Habsburg“ (1824) bricht der in Paris lebende zeitgenössische Literaturkritiker Merian in die begeisterten Sätze aus: „So haben wir denn ein deutsches Heldengedicht, dessengleichen kein anderes Volk, das griechische ausgenommen, aufzuweisen hat. Ja, er hat alles überflügelt, was seit Homer gekommen!“

Uber dieses Werk besitzen wir einen Briefwechsel mit Grillparzer, den Pyrker in Gastein („Pyrker-höhe“!) kennenlernte und förderte. Pyrker erkannte auch frühzeitig die Kunst des jungen Schubert, der wiederum (1825, ebenfalls in Gastein) seine Gedichte „Die Allmacht“ und „Das Heimweh“ komponierte. Pyrker erreichte als Lyriker mit den naturverbundenen, sprachgewandten „Liedern der Sehnsucht nach den Alpen“ (1845) verdiente Beliebtheit. Am 2. Februar 1848 bestätigt die österreichische Akademie der Wissenschaften in ihrer Eröffnungssitzung (die Pyrker nicht mehr erlebte), „daß ihm die Reinheit des Ausdrucks, das gediegenste Versmaß für immer einen ehrenvollen Platz unter den Bildnern deutscher Zunge sichere“. 1937 entdeckte Paul Czigler zufällig, beim Sammeln von Material für eine Dissertation, in der Handschriftensammlung der Wiener Nationalbibliothek Pyrkers verschollene „Selbstbiographie“, welche 1966 erstmals erschienen ist. Die lebhaften, trefflichen Schilderungen erweisen Pyrker als Magnet für alle Persönlichkeiten in Kunst und Gesellschaft. Goethe war mit ihm in Korrespondenz, der unglückliche Herzog von Reichstadt, erhielt wenige Tage vor seinem Tode den Besuch des Erzbischofs, der in Erlau eine Lehrerbildungsanstalt gründete und die von den Türken zerstörte Kathedrale erneuerte.

Pyrker starb am 2. Dezember 1847 in Wien, sein Herz wurde in der Bischofsgruft von Erlau beigesetzt. Der Leichnam aber kehrte nach

Lilienfeld zurück und ruht in der Gemeinschaftsgruft der Äbte in der Friedhofskapelle. Pyrkers überragende Erscheinung als Kirchenfürst, Menschenfreund und Dichter soll in der österreichischen Kulturgeschichte unvergessen bleiben.

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