Buch der Woche: Dichter, Kirchenmann, Sozialpolitiker

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Roland Dobersberger als Biograph und Wiederentdecker des Freiherrn Pyrker von Felsö-Eör.

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Roland Dobersberger als Biograph und Wiederentdecker des Freiherrn Pyrker von Felsö-Eör.

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Der Biograph nahm sich eines Vergessenen an, eines Dichters, den niemand mehr kennt. Daß man sein Buch mit Gewinn liest, ist dem Fleiß und Spürsinn des Biographen zu verdanken, der auch den Fehler vermied, sich in den Gegenstand seiner Bemühungen zu "verlieben".

Johann Ladislaus Pyrker von Felsö-Eör (1772-1847) kommt in manchen älteren Literaturgeschichten vor. Einige Gedichte wurden durch Schuberts Vertonung unsterblich. Die großen Vers-Epen verstauben in Bibliotheken. Sein Ringen um Anerkennung, oft mit fragwürdigen bis komischen Mitteln, beeindruckte kaum die Mit-, geschweige die Nachwelt. Er ließ sich wohl nicht träumen, daß sie ihn als Kirchenmann höher schätzen werde denn als Dichter.

In einer zugewanderten Tiroler Familie in West-Ungarn geboren, aus kleinen Verhältnissen aufgestiegen zum Abt des Zisterzienserstiftes Lilienfeld, wo er sich in der schweren Zeit der Napoleonischen Kriege bewährte, Berater des Kaisers Franz, von diesem zum Bischof der Zips (Oberungarn, heute Slowakei) bestimmt, leistete er in einer vernachlässigten Diözese Aufbauarbeit, sorgte nicht nur für ungarische und deutsche, sondern auch für slowakische Lehrerseminare.

Nach dem Wiener Kongreß besaß Österreich die einstige Republik Venedig. Kaiser Franz setzte Pyrker gegen den Papst als Patriarchen (Erzbischof) durch. Auch dort brachte er kirchliche Verhältnisse in Ordnung und setzte bleibende Taten für Bildung und Sozialfürsorge, bis er vom Kaiser als Erzbischof ins nordungarische Erlau (Eger) geschickt wurde, wo er einen Dombau durchsetzte (und teilweise finanzierte) und im ungarischen Landtag jenen politischen Einfluß erhielt, den er am Hof nach dem Tod des Kaisers Franz verlor. Seine Urlaube im Gasteiner Tal führten zur Gründung von Bad Hofgastein. Wer erinnert sich noch daran?

In seinem Sterbejahr 1847 wurde mit seiner Mitwirkung die Österreichische Akademie der Wissenschaften gegründet. Gewiß, er beneidete Grillparzer um seinen "König Ottokar" (während sein Epos über Rudolf von Habsburg wenig Anerkennung fand) und mußte erleben, daß der zugewanderte Sachse Theodor Körner den ungarischen Freiheitshelden Zriny viel wirksamer darstellte, als er es vermochte. Am Ende eines im Grunde einsamen Lebens mag er geahnt haben, daß sein soziales Wirken ihn interessanter machen würde als sein Dichten. Dies meint jedenfalls Roland Dobersberger, dessen dickleibigem Buch man zwar ein etwas gründlicheres Lektorat gewünscht hätte, das aber für jeden Kenner Altösterreichs eine Fundgrube ist.

Johann Ladislaus Pyrker (1772-1847) - Dichter und Kirchenfürst Von Roland Dobersberger. Verlag NÖ Pressehaus, St. Pölten 1997 671 Seiten, geb., öS 485,-

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