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Die Welt der Paula Grogger

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Vielleicht ist Paula Groggers Hauptwerk gar nicht ihr großer Erfolg, das „Grimmingtor“, vielleicht sind es wirklich diese sieben Legenden, die als wunderschöner Band zum 85. Geburtstag der Dichterin von Styria-Verlag herausgebracht wurden. In diesen Legenden nämlich ist sie an keine Bezüge, keinerlei Realität gebunden, hier lebt und schwebt ihre persönliche Welt, einer makellosen Kristallkugel gleich, in sich selbst.

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Vielleicht ist Paula Groggers Hauptwerk gar nicht ihr großer Erfolg, das „Grimmingtor“, vielleicht sind es wirklich diese sieben Legenden, die als wunderschöner Band zum 85. Geburtstag der Dichterin von Styria-Verlag herausgebracht wurden. In diesen Legenden nämlich ist sie an keine Bezüge, keinerlei Realität gebunden, hier lebt und schwebt ihre persönliche Welt, einer makellosen Kristallkugel gleich, in sich selbst.

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Uber der jahrzehntelangen „steirischen Institution“ Paula Grogger wäre um ein Haar ihre ungeheure Leistung vergessen worden, diese einzigartige dichterische Leistung, die in der selbstgewählten Einsamkeit von öblarn, fern den völlig andersartig gewordenen Geschehnissen und fern der sich unablässig wandelnden Zeit, eine ort- und zeitlose Welt schuf, eine ganz persönliche Welt, die, einer Kristallsphäre gleich, über den Niederungen der Wirklichkeit schwebt. In der Welt der Paula Grogger wird viel gehext und viel gezaubert, hinter jeder Ecke lauern höllische Ängste und Mächte, Heidnisches, das mit dem alten Bauerntum ja längst schon gestorben ist, findet seinen legitimen Platz in einer unversehrten Alpenlandschaft, die heute von Autobahnen durchzogen, zur Mülldeponie der Wegwerfgesellschaft geworden ist. Durch Paula Groggers schwebende Kristallkugel schlägt als scharfer, ungebrochener Lichtstrahl christliche Erkenntnis, obsiegt, anders sichtbar und erkennbar als in der Realität, der milde, aber unabweisliche Eingriff himmlischer Übermacht.

Für ihre schwebende, allem Irdischen entzogene Welt hat Paula Grogger eine Sprache erfunden, die all dieser Irrealität adäquat ist, ein aus dem barocken Expressionismus der zehner und zwanziger Jahre abgeleitetes, aber durchaus eigenständiges, überhöhtes Steirisch, das mit der gesprochenen Bauernsprache soviel und sowenig zu tun hat wie Hofmannsthalg eigens erfundene „Rosenkavalier“-Sprache mit dem mariatheresianischen Deutsch, und doch, wie diese, richtiger und überzeugender ist als irgendeine Sprache, die in Wirklichkeit gesprochen wurde oder gesprochen wird. Die abenteuerlichsten Wort- und Satzbildungen nimmt man lesend ohne Widerspruch hin, denn diese Seltsamkei-

ten treffen haarscharf die Sache, die Situation und die Melodie, sie könnten und dürften gar nicht anders lauten, sie zwingen überdies zum langsamen Lesen, zum Überlegen, zum Bejahen, sie führen zu der verblüffenden Feststellung, daß hier, fernab der Zeitläufte und der weltweiten Schrecknisse, Dichtung wurde, Dichtung überdauerte, Dichtung uns als Kunde vergangener Tage entgegentritt, um von uns, als eine „Wiederentdeckung“ der jüngsten Zeit, weitergereicht zu werden an die kommenden Generationen, die ohne dieses Erbe ärmer wären.

SIEBEN LEGENDEN. Von Paula Grogger.Verlag Styria, Graz-’Wien- Köln, 1977, 168 Seiten, öS 168,-.

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