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Der Pfarrer und der Wirt sind die Autoritäten

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Suche nach den Kriterien einer erfolgreichen Integration von Asylwerbem in grenznahen Ortschaften führte die Soziologen Gerhard Jost, Kirl-Michael Brunner und Manfred Lueger in eine 1.300 Einwohner umfassende, deutsch-kroatische Kleingemeinde. Diese Gemeinde, die bereits während der Polenkrise im Jahr 1981 Flüchtlinge aufnahm, bringt eine vergleichsweise hohe Anzahl von zirka 200 Asylwerbern annähernd problemlos unter. „Ein negatives Beispiel“, so Jost, „wurde mit Absicht nicht herangezogen, da bei diesen — in den Medien vorwiegend diskutierten — Fällen zumeist verfestigte Strukturen bestehen, bei denen oft nur noch von einem Abwehrkampf gesprochen werden kann“.

Ausgehend von der Hypothese, daß eine erfolgreiche Integration nicht ohne die aktive Mitsprache der Gemeindebewohner funktionieren kann, lag das Augenmerk daher auf den Veränderungen der sozialen Strukturen in der Gemeinde und deren Ursachen. Das Forscherteam vom Institut für allgemeine Soziologie und Wirtschaftssoziologie der Wiener Wirtschaftsuniversität hielt sich eine Woche in der Ortschaft auf und beobachtete das Gemeindeleben.

Der ausschlaggebende Faktor für das gelungene Nebeneinander von Einheimischen und Asylwerbem dürfte der ökonomische Nutzen sein, den die Unterbringung der Flüchtlinge in den wenigen Gasthöfen der Ortschaft bringt. Der Staat zahlt an die ausgelasteten Quartiergeber einen festgesetzten Tagessatz. „In der Praxis zeigt sich hierbei, daß den Gastwirten zunehmend die Aufgabe der sozialen Kontrolle im Sinne einer Vermittlerrolle zwischen Einheimischen und Flüchtlingen zukommt“, erklärt Jost. Diese Rolle führe jedoch zu unangenehmen Nebeneffekten. So müssen die Flüchtlinge beispielsweise Zimmerkontrollen akzeptieren. Kritische Stimmen werden dadurch gedämpft, daß in der Gemeinde ein traditionell enges, verwandtschaftliches Geflecht besteht, in das auch die Wirte eingebunden sind.

Als wichtige Unterstützung sehen die Wissenschaftler das engagierte Auftreten des Dorfpfarrers, der nicht nur für eine verstärkte Flüchtlingsaufnahme plädiert, sondern auch mit gutem Beispiel vorangeht. So würden manche Bedenken in der Gemeinde aus Bewunderung für den Pfarrer zerstreut. Ebenso dürfte der Minderheitenstatus der einheimi schen Kroaten zur positiven Aufnahme beitragen, da viele mit den Problemen als zugewanderte Minderheit vertraut sind. „Doch die Kombination kroatische Gemeinde — kroatische Flüchtlinge muß keineswegs von vornherein funktionieren“, betont Jost: „Diejenigen, die ihre eigene Diskriminierung nicht gut verarbeiten konnten, standen der Aufnahme kritisch gegenüber.“ Insgesamt wird die Aufnahme der Flüchtlinge jedoch positiv bewertet.

Probleme entstehen vor allem durch kulturell als fremd empfundene Verhaltensweisen. Hier zeigt sich laut Jost, daß „zwar bestimmte Erwartungen bezüglich des Verhaltens der Flüchtlinge bestehen, doch da diese kaum am Gemeindeleben teilnehmen und daher in der Regel nicht mit ihnen kommuniziert wird, können sie auch wenig davon wissen“.

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