6765421-1968_32_09.jpg
Digital In Arbeit

Rebellion in Genf

Werbung
Werbung
Werbung

32 junge reformierte Theologen in der Calvin-Stadt Genf haben sich geweigert, das Ordinationsgelübde abzulegen. Stellt diese Weigerung ein Teilgeschehen im Ablauf der derzeitigen Jugendrevolten am laufenden Band dar, oder hat sie spezielle Bedeutung?

Die jungen Theologen haben erklärt, daß sie die traditionelle „Hir- ten“-Rolle des Pfarrers nicht gutheißen: Ihrer Meinung nach verleitet die Pfarrerrolle die Gemeinde zur Untätigkeit, zu Abschiebung aller christlichen Aktivität auf den Pfarrer allein — wobei überdies die Pastoralen Möglichkeiten im Genf von heute angezweifelt werden. Die heutigen Satellitenstädte Genfs sind am Sonntagmorgen leer: die Menschen rasen in ihren Wagen aus den Steinwüsten davon, die nichts als reine Stätten für die nächtliche Unterkunft mehr darstellen — so daß die Fragwürdigkeit des Sonntagsgottesdienstes evident wird.

Die jungen Theologen haben schließlich gegen das sogenannte „Treuegelöbnis" rebelliert: Sie sehen darin einen Zwang, dem sie gegenüberstellen, der Kirche nur aus freiem Willen dienen zu wollen. Sie möchten ihrerseits innerhalb der Gemeinde Initiatoren auf ihnen naheliegenden Gebieten werden, zum Mündigwerden des Kirchenvolkes beitragen, den Kirchendienst auch über streng abgegrenzte Gemeinden erweitern. Sie möchten so etwas wie „Sauerteig“ sein — ganz im ursprünglichen biblischen Sinn.

Das alles ist gut und schön: dagegen läßt sich freilich auch manches sagen. Denn in der Ablehnung des Ordinationsgelübdes offenbart sich auch ein reichlich unreifer Eigensinn, ein auffallender Mangel an Selbstdisziplin und an Unterordnungswillen, der im Sinne der Ordnung nicht wegdekretiert werden kann. Schließlich bietet die „Hirten“-Rolle, wie sie bislang traditionell gehandhabt worden ist, zahllose Möglichkeiten der Nuancierung und Erweiterung: die Notwendigkeit durch äußeres Rebel- lentum auf sich aufmerksam zu machen, wird in den führenden Kreisen der Genfer Reformierten grundsätzlich bestritten, wo man der Meinung ist, daß solcherart „explosive“ Fakten nicht dazu angetan sind, die prinzipiellen Elemente der christlichen Lehre zur Geltung zu bringen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung