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Von Schlägern, Kämpfern & Verlierern

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Die massive Kritik am „2. Bericht zur Lage der Jugend“ trifft Jugendministerin Maria Rauch-Kallat zu Unrecht. Denn gemäß einer Entschließung des Nationalrates aus dem Jahre 1988 ist sie verpflichtet, von unabhängigen Experten einen Bericht zur Situation der Jugend in Österreich verfassen zu lassen. Diskussionswürdig sind die Expertenmeinungen in jedem Fall: So strotzt etwa das Kapitel „Jugendliche und Gewalt“ (Seiten 253- 263) von Binsenweisheiten. Während Schüler und Studenten über die „Erfahrungen mit polizeilicher Gewalttätigkeit“ im „Ton empörter Ungläubigkeit“ redeten, sprachen „ Unterschicht-Jugendliche “ darüber mit einer „gewissen Selbstverständlichkeit“. Laut Expertise passe dazu, daß diese oft Polizist als „Traumberuf“ nennen.

Auch blieb den akribischen Autoren nicht verborgen, daß „Banden- Jugendliche“ - im Gegensatz zu anderen - die „meisten Erfahrungen“ mit der Polizei haben.

Die Verbindung TV-Konsum und Gewalttätigkeit ist laut Experten mit Vorsicht zu genießen: Denn die typischen jugendlichen Konflikt-Charaktere - „Schläger und Kämpfer“ - weisen eine deutlich geringere Fernseh-Frequenz auf als die braven „Vermeider und Verlierer“.

Die als „Ausländer-Verachtung“ apostrophierte Ausländer-Feindlichkeit wird mit einem wirtschaftstheoretischen Hintergrund erklärt. Schuld daran sei unser Gesellschaftssystem. Denn - so die Experten - die „Ausländer-Verachtung“ sei die „Fortsetzung einer Grundhaltung der Konkurrenz und Mitleidlosigkeit, der tüchtigen Durchsetzung und der Verachtung für die Versager“ in der mit ,Reaganomics“ und ,Thatcherismus“, ,Privatisieriung“ und ,Grenzen des Sozialstaates“ charakterisierten Wirtschaftsphase der letzten fünfzehn Jahre.“

Auch bei Bundespräsident Thomas Klestil und Vertei dungsminister Werner Fasslabend wird wohl wenig Freude bei der Lektüre des Jugendberichts aufkommen. Auf acht Seiten analysiert ein Experte die Situation der „Jugend zwischen staatlichem Zwang und freiwilliger Gemeinschaftsleistung“. Das „ Auslauf - modell“ allgemeine Wehrpflicht wurde stets „von oben“ eingeführt, beklagt der Autor, nie durch „Volksentscheid“ oder „infolge höherer Einsicht“. Eine „Wesensverwandtschaft mit der Demokratie“ sei „nirgendwo schlüssig belegt“. Letztlich müsse wohl, „in Anbetracht einer entspannten militärischen Bedrohungslage“, die allgemeine Wehrpflicht als „systemwidrig“, ja als „zunehmend entbehrlich empfunden“ werden. Der Autor dieser Analyse heißt Joachim Giller und ist Mitglied der Abteilung A/5 (Krisenvorsorge und sicherheitspolitische Grundlagen) im Bundeskanzleramt.

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