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Ein Dichter über Dichter

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Das Wort als Werkzeug. Es verbindet auf unterschiedlichen Ebenen Poeten und Politiker, nähert sie bisweilen einander an bis zur Personalunion. In mehreren Kultur- und Sprachräumen waren dafür markante Beispiele zu verzeichnen. Auch in Österreich.

Ist diese Tradition erloschen? Zu hoffen ist, daß er nicht der letzte in ihr sei: Hugo Schanovsky, geboren 1927. Er war ein Dichter, ehe er in die Politik ging, er blieb es als Bürgermeister von Linz, und er blieb es erst recht im politischen Ruhestand. Er war dabei stets mehr Volksbildner als Experimentator, er verschmähte Humor, Gemeinverständlichkeit und Mundart nicht, nahm mancherlei Stile auf -und fand im luziden Prosagedicht, Notat und nüchternem Tableau eine unverwechselbare Note. Sein Lebenswerk liegt in 30 kleinen Bänden vor. Manches davon mag der Zeit anheimfallen, einiges wird sie überdauern, vieles ist dokumentarisch für Toleranz und Humanität.

In den zwei Neuerscheinungen, „Den Tod auf der Zunge - Böhmen im Herzen" und „Hommage an Adalbert Stifter"recherchiert er menschliche und allzumenschliche Spuren und hebt sie ins Gedicht, knapp oft, ein wenig lakonisch, niemals zynisch, um Verständnis und Identifikation bemüht.

Im Falle der böhmischen Dichter hat Schanovsky mit Jürgen Serke den

Gang zu den Gräbern angetreten, die oftmals Gräber in den Lüften sind. Es sind die Memorials der verfolgten Autoren, Bekannte, Verschwiegene und Vergessene. Momentaufnahmen aus Leben und Leid stehen da, tragisch und grotesk, knappe Szenen, die eine Biografie umreißen, Hilfestellungen für Trauerarbeit. Peter Kraft hat in einem Nachwort noch einiges zum Verständnis hinzugefügt.

Entmythologisie-rung für die Pro sagedichte über Stifter wäre die naheliegende Phrase. Sie stimmt und stimmt doch nicht. Denn das Geheimnis der Größe Stifters wird durch die Episoden, die Schanovsky beleuchtet, eigentlich mehr erhöht als entzaubert. Vielleicht ist manches allzusehr mit den Augen der Gegenwart gesehen und gedeutet. Aber umso wohltuender ist nach so viel wissenschaftlicher Durchforschung der Blick auf die simplen Lebenszusammenhänge, als da zum Beispiel Existenz- und Familiensorgen sind.

Es ist kein neues Stifter-Bild, welches da entstanden ist, wohl aber eine Annäherung von ungewohnter Seite und in neuer Form. Johann Lachinger betont im Nachwort die durch die politische Entwicklung und den Naturschutz entstandene Aktualität Stifters.

DEN TOD AUF DER ZUNGE - BÖHMEN IM HERZEN. Prosagedichte. Von Hugo Schanovsky. Linz-Kultur-Texte, Auslieferung Verkäs-Verlag, Linz. 110 Seiten. HOMMAGE AN ADALBERT STIFTER. Prosagedichte. Von Hugo Schanovsky. Verlag Denkmayr, Linz. 94 Seiten.

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