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Eine Karriere in Nächstenliebe

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Seit dem 17. Juli ist er den meisten Österreichern bekannt: Als der Flüchtlingszug aus Kroatien endlich nach Österreich einreisen durfte, war dies letztlich ein Verdienst des unermüdlichen Auslandsbeauftragten der Kärntner Caritas, Peter Quendler. Er hat auch schon Projekte in Friaul, Süditalien, Kairo und Khartum koordiniert.

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Seit dem 17. Juli ist er den meisten Österreichern bekannt: Als der Flüchtlingszug aus Kroatien endlich nach Österreich einreisen durfte, war dies letztlich ein Verdienst des unermüdlichen Auslandsbeauftragten der Kärntner Caritas, Peter Quendler. Er hat auch schon Projekte in Friaul, Süditalien, Kairo und Khartum koordiniert.

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„Viele Katastrophen wiederholen sich im Laufe der Geschichte, leider lernen die Menschen nichts daraus", beklagt der Caritas-Koordinator von „Nachbar in Not", Peter Quendler, bei einem Kurzaufenthalt in Graz. Der gebürtige Kärntner aus St. Andrä im Lavanttal wollte ursprünglich Landwirt werden, doch irgendwie wurde er Chauffeur von Bischof Köstner und dies gleich für 25 Jahre. Daneben arbeitete Quendler auch in der bischöflichen Forstabteilung mit und diese Tätigkeit brachte ihn in Berührung mit der Erdbebenkatastrophe von Friaul. Damals lieferte die Diözese Gurk-Klagenfurt Bauholz in das Erdbebengebiet und Quendler war mit dabei - am Wochenende.

1980 engagierte sich die Caritas Österreich in Kampanien/Süditalien. Quendler wird Projektleiter und schafft „extreme Projekte": 176 Häuser mit Keller werden errichtet. Die Caritas habe „vor Ort" hinterfragt, welche Hilfe die Menschen konkret benötigten. Denn Baracken und Zeltdörfer wollte Quendler nicht hinstellen lassen. „Statt Baracken lieber das Geld für einen Keller", lautete das „Credo" des umtriebigen Caritas-Auslandskoordinators und dieser Plan habe auch die Regierung überzeugt. Unter der Aufsicht der Caritas wur-

den die Keller gemauert und die Fertigteilhäuser aufgestellt. „Eine sinnvolle Hilfe", so Quendler, „denn heute leben die Menschen in Kampanien in Häusern, die wahrscheinlich dem nächsten Erdbeben standhalten werden."

Das nächste Ziel war Kairo: Hier stampfte der Caritas-Mann gemeinsam mit der deutschen Ordensfrau Schwester Maria 60 Wohnräume aus dem Boden, daneben noch eine acht-klassige Schule sowie einen Kindergarten und eine Sozialstation. Auch ein Caritas-Kleiderladen durfte nicht fehlen. „Ein überschaubares Projekt, klein und kontrollierbar", so Quendler. Entscheidend war für ihn, daß die Menschen selber mitbauten. Wer zwei Jahre lang mit Hand anlegte, bekam eine Wohnung. Die Menschen wurden gefordert und jeder konnte das miteinbringen, was er selber leisten konnte. Die Hilfsorganisation, also die Caritas, mußte nur das dazugeben, was jemand zur Verwirklichung seiner Ziele brauchte. Dies ist der Grundsatz der Caritas-Auslandshilfe: Jeder muß seine Situation verändern können und die Caritas hilft ihm dabei. Er sei immer glücklich wenn die Menschen sagten: „Ich hab' das geschaffen und die Caritas hat mir geholfen!"

Über Kairo gelangte Quendler in den Sudan. Hier errichtete die österreichische Caritas zwei Landwirtschaftsschulen, daneben noch eine Handwerksschule. Gemeinsam mit der ansässigen Vinzenz-von-Paul-Gemeinschaft wurden Waisenhäuser gebaut. Den Boden erwarb die österreichische Caritas und die „Mutter der Müllmenschen" von Kairo, Schwester Emmanuelle, organisierte die Finanzierung der Waisenhäuser. Mit Stolz vermerkt Quendler, daß Schwester Emmanuelle der österreichischen Caritas bei einer Tagung in Genf hohes Lob gezollt habe. „Was die Caritas Österreich im Sudan leistet, das kann man herzeigen!", so Schwester Emmanuelle. Für die einheimischen Buben ergeben sich aufgrund der vielseitigen Ausbildung - Landwirtschaft und ein Handwerk -bessere Lebenschancen. In den Waisenhäusern leben die berühmten „Straßenkinder" von Khartum bei Familien und lernen hier auch eine Vater-Mutter-Beziehung schät-

zen. Denn das an sich in Europa sinnvolle „System Kinderdorf' sei in der islamischen Welt nicht möglich, so Quendler, da man keine „Mütter" bekomme. Aufgrund der Flüchtlingskatastrophe im Süden des Sudans habe die Vinzenzgemeinschaft auch die Ausspeisung von 25.000 Straßenkindern übernommen.

Nach einem kurzen Aufenthalt bei den Kurden im Nordiran wurde Peter Quendler die Koordination der Flüchtlingshilfe für Kroatien und Slowenien übertragen. Anfangs, vor Beginn der Aktion „Nachbar in Not", besuchte der Koordinator vierzehntägig die Verteilerstationen der Caritas und kontrollierte die Logistik, ob also die Hilfslieferungen auch wirklich den Hilfebedürftigen zugutekamen.

Der Zug der Tränen

Freitag, 17. Juli: Drei Flüchtlingszüge stehen in Savski Marov. Um acht Uhr morgens kommt Quendler an und verläßt den Bahnhof am Samstag um 5.30 Uhr in Richtung Österreich - im Flüchtlingszug, der am Freitag im Mittelpunkt des diplomatischen Bemühens von Quendler, Caritas-Direktor Helmut Schüller und Innenminiter Franz Löschnak gestanden war. Ab diesem Zeitpunkt ist Peter Quendler in aller Munde. Hektische Telefonate zwischen Wien und dem Büro des Bahnhofsvorstands, Fernsehteams und die großartige Hilfeleistung der einheimischen Bevölkerung, die die Menschen in den Zügen versorgten - diese Bilder wird Quendler wohl nie vergessen.

„Politiker haben oft zuwenig Menschlichkeit" betont Quendler und

erinnert sich mit Schaudern an die „Hölle von Sarajewo", die Stunden am Flughafen, als die deutsche Maschine ohne ihn abhob. Doch UNO-Soldaten versorgten ihn und gerade der Kontakt mit der „untersten Ebene", wie Quendler gerne sagt, zeige, daß die Menschen den Krieg in Bosnien-Herzegowina überhaupt nicht wollten. Wahrscheinlich wird man ihn auch bald einen Bellizisten nennen, da er sich anläßlich seines Österreich-Aufenthalts für eine militärische Intervention seitens der Völkergemeinschaft ausgesprochen hatte. „Weil ich sehe, wie das Volk, wie die Menschen leiden", betont der Caritas-Mann, denn „wenn nicht ein Wunder geschieht, wird ein Großteil der Menschen in Sarajewo den kommenden Winter nicht überleben". Es gibt viele kleine Orte, von denen niemand spricht, und in denen größte Not herrsche.

Und die Sicherheit, Herr Quendler? „Leitl, uns darf nix passieren!" - so Quendler, denn „die Hilfe muß ankommen, denn der Spender hat ein Recht darauf, daß sie ankommt..."

Abschließend resümiert der Koordinator: „Wir betreiben mit der Hilfsaktion ,Nachbar in Not' die beste Außenpolitik!" Und er eilt weiter zum nächsten Termin, denn der ORF Steiermark wartet schon.

Zur Zeit ist Quendler wieder unterwegs, irgendwo im Niemandsland der Diplomatie zwischen Zagreb und Sarajewo. Auf Schleich- und Forstwegen, denn die Hilfe muß ja ankommen. Die österreichische Caritas -das „organisierte Verbrechen der Nächstenliebe"...

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