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Digital In Arbeit

Eine „Ordnung der Mitte”

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Vergangenen Monat fand in Traunkirchen die zehnte wissenschaftliche Tagung des Instituts für Arbeitsrecht der Universität Wien statt. Namhafte Wissenschaftler aus mehreren Ländern befaßten sich mit der Frage „Standort und Entwicklungstendenzen des Arbeitsrechts.”

Das Arbeitsrecht ist ständig im Fluß. Gerade deshalb ist es besonders wichtig, immer wieder hinterfragend zu prüfen, ob das Neue auch besser ist und die tatsächlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer, zu deren Schutz die Regelungen ja erlassen werden, wirklich abdeckt.

Im freiheitlichen Sozialstaat von heute ist Arbeitsrecht vor allem „Interessentenrecht”: Ein entfaltetes Gewerkschaftswesen als Motor der rechtlichen Gestaltung des Arbeits-' lebens findet seinen Ausdruck in einer Fülle sozialpartnerschaftlicher Vereinbarungen auf überbetrieblicher und auch betrieblicher Ebene, denen der Gesetzgeber unmittelbare Rechtsverbindlichkeit zuerkennt. Die Berufsverbände als „kollektive Mächte des Arbeitslebens” nehmen zugleich bestimmenden Einfluß auf die Gesetzgebung selbst, die in zunehmendem Maß zwingendes Recht schafft. Gerade die österreichische Entwicklung zeigt dabei starke Tendenzen zur Starrheit und Versteinerung der Ordnung der Arbeitsbeziehungen. Im überzogenen Bestreben, den einzelnen Arbeitnehmer, ja sogar die kollektiven Gruppierungen vor sich selbst zu schützen, wird die rechtliche Gestaltbarkeit der abhängigen Arbeit überschätzt, die Selbstregelungsfähigkeit der Betroffenen aber unterschätzt. Schrittweise - durch Teilkodifikation - vollzieht dabei eine auch sachliche Unterschiede einebnende Gesetzgebung die Standortverschiebung zu einem eher kollektivistischen Grundmuster und läßt Arbeitsrecht auch immer mehr als Teil eines Wirtschaftsrechtes begreifen, das von den Entscheidungsverhältnissen einer Sozialen Marktwirtschaft hinausführt. So kommt unter Berufung auf das unbestrittene Schutzprinzip ein „Juristensozialismus” zur Geltung, der, wie ein Blick über die bundesdeutsche Grenze beweist, eben durch die Verstärkung des Rechtszwanges auch die Neigung zum Konflikt vergrößert.

Es ist daher das vordringliche Anliegen, das österreichische Arbeitsrecht auf dem Boden der Sozialpartnerschaft als „Ordnung der Mitte”, die flexibel genug ist, neue Themen und Probleme sachgerecht wahrzunehmen, zu erhalten. Dazu zwingt wohl auch schon die klein- und mittelbetriebliche Struktur der gewerblichen Wirtschaft, die einen Normierungsperfektionismus nicht verträgt.

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