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Eine rot-schwarz-blaue Klagemauer als „Provisorium“

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Fachleute und Politiker sind sich darin einig, daß mit der im Februar fälligen Beschlußfassung über das Ombudsman-Gesetz der „große Wurf“ keinesfalls gelungen sein wird. Dennoch steht dem endgültigen Konsens nach langwieriger Balgerei — im Unterausschuß wird bereits am sechsten Änderungsvorschlag zur Regierungsvorlage gebastelt — nichts mehr im Wege. Am 1. Juli 1977 werden der ehemalige Klubobmann der SPÖ, Robert Weisz, der frühere Wiener ÖVP-Chef, Abg. Dr. Franz Bauer, und der FPÖ-Abgeordnete Gustav Zeillinger ihre drei mit dem höchsten Sektionschef-Gehalt (rund 38.000 Schilling) dotierten Ombuds-man-Posten beziehen.

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Fachleute und Politiker sind sich darin einig, daß mit der im Februar fälligen Beschlußfassung über das Ombudsman-Gesetz der „große Wurf“ keinesfalls gelungen sein wird. Dennoch steht dem endgültigen Konsens nach langwieriger Balgerei — im Unterausschuß wird bereits am sechsten Änderungsvorschlag zur Regierungsvorlage gebastelt — nichts mehr im Wege. Am 1. Juli 1977 werden der ehemalige Klubobmann der SPÖ, Robert Weisz, der frühere Wiener ÖVP-Chef, Abg. Dr. Franz Bauer, und der FPÖ-Abgeordnete Gustav Zeillinger ihre drei mit dem höchsten Sektionschef-Gehalt (rund 38.000 Schilling) dotierten Ombuds-man-Posten beziehen.

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Neben dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes, Loebenstein, der dem Ombudsman mit Skepsis gegenübersteht, hat auch der Wiener Universitätsprofessor Dr. Fritz Schönherr eine profilierte Gegenposition bezogen. Ihm steht der Aufwand für die Volksanwaltschaft — pro Jahr rund 20 Millionen Schilling — in keinem Verhältnis zur Effizienz der Einrichtung. Den geplanten Ombudsman sieht Schönherr als eine „zusätzliche Behörde, eine Klagemauer ohne ein Rechtsmittel“.

Im Rahmen des Kummer-Institutes hat sich Senatspräsident Dr. Werner Hinterauer (Verwaltungsgerichtshof) eingehend mit der Regierungsvorlage befaßt und als Resultat eines Arbeitskreises seine Kritik formuliert. Sein Gesamteindruck: „Ein unbrauchbares Instrument.“ Mit drei Hauptargumenten untermauert Hinterauer seine Stellungnahme: Das Prinzip der Gewaltentrennung werde gefährdet, die paritätische Besetzung durch die drei Parlamentsparteien spreche der gesamten Einrichtung Hohn und überwerte überdies die kleine FPÖ, außerdem könne der Rechtsschutz gar nicht in erwünschtem Umfang effektiv werden.

Hinterauer und Schönherr neigen in Sachen Volksanwaltschaft einem Modell zu, das schon von Kelsen angeregt und später vom Verfassungsgerichtshof in seinen Tätigkeitsberichten aufgegriffen wurde. Kelsen nannte seine Idee „Anwalt des öffentlichen Rechtes.“ Der große Unterschied zur Regierungsvorlage: Dieser Anwalt sollte auch von sich aus tätig werden können (ähnlich einem Staatsanwalt bei Offizialdelikten), also nicht nur dann einen Fall aufgreifen, wenn sich irgend jemand durch ein Unrecht beschwert fühlt. Außerdem sollte er die Möglichkeit haben, ein zusätzliches Rechtsmittel zu ergreifen, was in der Regierungsvorlage ja auch nicht vorgesehen ist.

Die Ombudsmänner Weisz, Bauer und Zeillinger werden nur die an sie herangetragenen Fälle prüfen und allenfalls „Empfehlungen“ an die Verwaltung richten können. Dabei haben sie allerdings das Recht, in alle Verwaltungsakte Einsicht nehmen zu können. Wozu bemerkt werden kann, daß ein Ombudsman einer Tageszeitung sehr wohl auch Mittel und Wege weiß, zu seinen Informationen zu kommen, womit also Weisz, Bauer und Zeillinger mit Zilk und Blaschka in einer Reihe stehen werden. Und noch ein Nachteil: Die „Ombudsmänner“ werden sich gezwungen sehen, mangels anderer Handhaben via Massenmedien psychologischen Druck auf die Verwaltung auszuüben. Damit würde aber die Gewaltenteilung in Frage gestellt sein, wie Rechtsexperten vermuten. Der Kelsen-Ombudsman hingegen hätte sein klares Rechtsmittel.

Besonders grotesk ist an der geplanten Konstruktion freilich, daß es wieder einmal den Österreichern vorbehalten sein wird, dem parteipolitischen Postenschacher neue Schleusen zu öffnen: Einen Ombudsman, der nach Parteizugehörigkeit ausgewählt wird, gibt es in keinem Land. In Dänemark etwa hat man dem Ombudsman eine echte parteipolitische Unabhängigkeit gesetzlich garantiert.

In Österreich sieht das aber so aus: Jede der drei im Parlament vertretenen Parteien darf einen Kandidaten nominieren. Einer der drei Volksanwälte führt jeweils für ein Jahr ., den Vorsitz. Diese Regelung 4drdllden Sbiialisten einen Start-tfortejl bringeji, da Weisz als erster an der Reihe ist und ihm als Vorsitzenden des ersten Jahres faktisch in Alleinverantwortlichkeit alle mit. der Installierung des Ombudsmans zusammenhängenden Personalentscheidungen bevorstehen. Senatspräsident Hinterauer würde es lieber sehen, gäbe es nur einen Ombudsman, der mit Zweidrittelmehrheit vom Parlament zu bestellen wäre. Außerdem sollte das Gesetz so abgefaßt sein, daß vorwiegend von den Parteien nicht abhängige Volksanwälte zum Zug kämen.

Die Parteizugehörigkeit des Ombudsmans ist allerdings nicht so miß-zuverstehen, daß sich ein „Schwarzer“ nur an den „schwarzen“ Ombudsman und ein „Roter“ nur an den „roten“ wenden darf. Es wird vielmehr eine nach Sachgebieten orientierte Geschäftsverteilung geben, die alle Bereiche der Bundesverwaltung umfaßt. Die Länder sollen übrigens nach der neuesten Variante nur dann unter die Aufsicht des Ombudsmans kommen, wenn sie sich damit einverstanden erklären. In der Realität werden die drei Volksanwälte aber ausgiebig um Image-Politur für ihre Partei bemüht sein. Und da fällt die groteske Situation erst so richtig auf: Die beiden ins Ausgedinge geschickten Ombudsmänner der Großparteien, Weisz und Bauer, werden sich neben dem agilen und redegewandten Zeillinger recht bescheiden ausnehmen.

Weil man sich aber doch noch ein Türl offen halten möchte, soll das Ombudsman-Gesetz vorerst für vier Jahre provisorisch beschlossen werden. Was man im Parlament lakonisch kommentiert: .„Eine Behörde, die bei uns in Österreich einmal eingerichtet ist, die schafft man nicht mehr ab ...“

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