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Es geht um Zukunft, nicht um Vergangenheit

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Der Verein Gedenkdienst und der hartnäckige persönliche Einsatz des Innsbrucker Politologen Andreas Maislinger haben Einmaliges zustandegebracht: Österreich ist das einzige Land, in dem Zivildiener ihren Wehrersatzdienst in ausländischen Holo-kaust-Gedenkstätten ableisten können. Eigenartigerweise scheint Österreich darauf gar nicht stolz zu sein. Statt dieses Engagement laut hinauszutragen, wird es beinahe schamhaft verschwiegen. Und wie die Diskussion, ob weitere Zivildiener in ausländischen Holokaust-Gedenkstätten zum Einsatz kommen werden, ist auch etwas anderes kein Thema: Wer sind diese jungen Männer, die dort dienen wollen? Warum tun sie das?

Die Auswahl erfolgt durch den Verein Gedenkdienst unter der Leitung von Andreas Maislinger. Die Beweggründe, Voraussetzungen und Möglichkeiten jedes einzelnen werden genau geprüft und diskutiert.

Privatschulden für Einsatz

Der Tiroler Georg Maier ist bereits seit August 1992 in Auschwitz, zwei Wiener sind in Amsterdam im Anne-Frank-Haus beziehungsweise in The-resienstadt im Einsatz. Georg Maier und Bernhard Schneider (er ist seit Oktober 1992 in Theresienstadt) müssen ihre Aufenthalte vorerst aus eigenen Mitteln vorfinanzieren, also Schulden machen, weil vom offiziell zugesagten Betrag noch nichts eingelangt ist. Warum tun sie das?

Für Amsterdam ab September 1993 hat sich bereits Tim Cupal festgelegt, für Yad Vashem ab Februar 1993 Reinhard Steiner, beide sind Wiener Studenten.

Und vor kurzem ist zum Verein eine Studentin gestoßen: Elisabeth Ripper möchte Holokaust-Gedenk-dienste nicht den Männern überlassen. Mit Unterstützung von Frauenministerin Johanna Dohnal möchte sie - um ein Signal zu setzen - in Tel Aviv im Elternheim arbeiten.

Warum tun sie das?

Nach Auschwitz möchte ab September 1993 der Elektriker Markus Abel. Für Archivarbeiten fühlt er sich ungeeignet, er will in Auschwitz handwerklich arbeiten, auch als Gärtner, wenn einer gebraucht wird. Auch diese Finanzierungen sind nicht gesichert. Warum wollen sich diese jungen Männer, will sich diese junge Frau darauf einlassen?

Mit dem Begriff „Vergangenheitsbewältigung” können sie alle nichts anfangen, das sagt ihnen nichts. Um die Zukunft geht es ihnen. Und um Österreich. Sie fühlen sich als junge Österreicher, die sich für die Zukunft ihres Landes einsetzen wollen. Und sie wissen, daß sie dabei um die Vergangenheit nicht herumkommen.

Taten statt Worte

Ihre nüchterne Einstellung mag so manchem, der beim Thema Holokaust Sentimentalität gewöhnt ist, befremden. Aber ist sachliche Aktivität nicht konstruktiver, befreiender, versöhnlicher als die vielen gefühlvollen Worte, die bei offiziellen Anlässen ohne jede Konsequenz fallen?

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