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Fachübergreifend

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Der Dialog zwischen Literatur und Theologie sollte aus den Sackgassen des theoretischen Diskurses heraus- und in ein fruchtbares Verhältnis übergeführt werden. Eben dies in überzeugenden Beispielen vorexerziert zu haben, ist das unbestreitbare Verdienst von Walter Jens und Hans Küng, die an acht mit Bedacht ausgewählten Gestalten der Neuzeit (Pascal, Gryphius,

Lessing, Hölderlin, Novalis, Kierkegaard, Dostojewski, Kafka) der Frage nachgehen: „Wie wurde mit Religion in der Moderne umgegangen, und was hat die Religion selber mit der Moderne gemacht?“

Hervorgegangen ist das Buch aus einer Vorlesungsreihe an der Universität Tübingen, und trotz der Weite des Themas gelingt es den Autoren, die großen Linien (den „Paradigmen Wechsel“ in der Theologie, die Möglichkeiten und Grenzen des Glaubens in aufgeklärter Zeit) nachzuzeichnen und sich trotzdem an das konkrete Detail zu halten. Bemerkenswert ist auch, daß das ehedem so unentbehrlich scheinende Definitionsproblem („Was ist christliche Literatur?“) kaum mehr eine Rolle spielt. Sozusagen ganz nebenbei präzisiert Walter Jens den Ausdruck „christliche Dichtung“ ganz pragmatisch als „Dichtung eines Schriftstellers, der sich als Christ versteht“.

Auch wenn naturgemäß Fragen offenbleiben (vor allem wohl im Hölderlin-Kapitel, wo eine Auseinandersetzung mit den Deutungen des Hölderlinherausgebers D. E. Sattler bezüglich des Spätwerks von Hölderlin gewiß auch in theologischer Hinsicht aufschlußreich gewesen wäre), besticht der Entwurf von Hans Küng und Walter Jens vor allem darin, daß der Dialog nicht erst einsetzt, wenn der theologische und der literaturwissenschaftliche Fachmann gesprochen haben, sondern daß jeder der beiden die fachübergreifenden Gesichtspunkte bereits von Anfang an in der Analyse mitberücksichtigt hat und diese somit nicht bloß die Keimzelle zu einem Dialog, sondern bereits die Frucht eines solchen ist.

DICHTUNG UND RELIGION. Von Walter Jens und Hans Küng, Kindler-Verlag, München 1985. 336 Seiten, geb.. öS 280,80.

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