Demut lernen

19451960198020002020

Daniela Strigl über die Tatsache, dass es einem die Fluggesellschaften leicht machen, nicht mehr fliegen zu wollen.

19451960198020002020

Daniela Strigl über die Tatsache, dass es einem die Fluggesellschaften leicht machen, nicht mehr fliegen zu wollen.

Werbung
Werbung
Werbung

Vielleicht handelt es sich ja um eine Art Erziehungsprogramm, um den Menschen das Reisen per Flugzeug abzugewöhnen, aber dann widerspricht es doch der kapitalistischen Logik, dass ausgerechnet die Fluggesellschaften sich dabei hervortun. Tatsache ist: Fliegen war noch nie so demütigend wie heute. Ich meine nicht die Maskenpflicht, ich meine die sonstigen Begleitumstände.

Dass man zum Beispiel seit Neuestem am Gate pulkweise in ein enges Stiegenhaus gepfercht wird, um dort stehend auf den Flughafenbus zu warten. Oder dass man, gelandet etwa in London Heathrow, eine Dreiviertelstunde im Flugzeug festsitzt, weil weder Gangways noch Busse bereitstehen. Nach dem coronabedingten Zusammenbruch des Luftverkehrs haben die Fluglinien nicht etwa einen Wettbewerb um die Gunst der Passagiere gestartet, sondern ganz im Gegenteil den ohnehin bescheidenen Komfort der Economy-Klasse auf Null reduziert.

Bei Lufthansa & Co. tat man es heimlich, still und leise den Billigfliegern gleich und schaffte die noch in Rudimenten vorhandene (Käseweckerl) Gratisverpflegung ab, zunächst unter dem Vorwand der Hygiene. Wurde etwa bei den Austrian Airlines zuvor noch Wein, Bier und Saft serviert (flüssige Selbstversorgung ist wegen der Sicherheitsvorschriften ja nicht möglich), bekommt man jetzt nicht einmal Kaffee oder Tee kostenlos, ja sogar Wasser muss man kaufen – zumindest in der Flasche, ein Glas Wasser ginge, liest man das Kleingedruckte, noch aufs Haus, das wird einem aber nicht angeboten.

Und mit dem Kaufen ist es auch so eine Sache, mit echtem Geld geht es nicht, nur mit Kreditkarte. Wenn die sonore Pilotenstimme empfiehlt, man möge „die Gastfreundschaft an Bord genießen“, klingt das hier inzwischen genauso deplatziert wie in der Straßenbahn. So ist der Umstieg auf den Zug bei der Kurzstrecke nicht nur Klimaschutztribut, sondern ein Akt der Notwehr.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung