Den Notstand proben

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Das sind sie, die 19 Grad, die die Umweltministerin uns angedroht hat.

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Das sind sie, die 19 Grad, die die Umweltministerin uns angedroht hat.

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„Ist es denn nicht entsetzlich, daß kalte Füße die Phantasie kalt machen können und ein paar wollene Fußsocken mir gute Gedanken zubringen?“, meinte einst Grillparzer, dessen 150. Todestag das Burgtheater schwänzt. Ich habe mir trotzdem Marieluise Fleißers „Ingolstadt“ angesehen. Nach einer Viertelstunde fühle ich Eiseskälte aufsteigen und begreife: Das sind sie, die 19 Grad, die die Umweltministerin uns angedroht hat. Ich hoffe auf die publikumsgenerierte animalische Wärme – vergeblich. Das Theater ist, undenkbar in Vor-Corona-Zeiten, bestenfalls zu zwei Dritteln gefüllt. Nicht genug damit: Das Drama spielt sich praktisch zur Gänze im Wasser (Donau!) ab, die wackeren Schauspieler waten, marschieren, plantschen in knöcheltiefen Becken, die Fontänen erwischen gnadenlos die vorderen Reihen, immer wieder hört man ein gottergebenes Aufstöhnen. Ich komme unter dem Wolltuch meiner Mutter noch glimpflich davon. Am Ende der Wasserschlacht applaudiert das Ensemble den Zuschauern.

Wenn es der Wille der Bundestheater sein sollte, auch noch den letzten Publikumsrest in ihren Häusern zu vergraulen, sind sie mit dem Heizboykott auf dem richtigen Weg. Die Gewerkschaft der Wiener Gemeindebediensteten hat eine solche Zumutung abgeschmettert, aber die „Kulturverliebten“ (Sebastian Kurz), die zu stundenlangem Sitzen verdammt sind, haben keine Lobby, jedenfalls nicht in den Theaterdirektoren. Wem nützt es, dass man 2022 das Theatererlebnis von 1945 in zerbombten Häusern simuliert? Es gibt hierzulande keinen Energieengpass. Verordnet die Obrigkeit solidarisches Frieren mit der Ukraine? Geht es um den erwünschten Nebeneffekt eines klimapolitischen Aktionismus? Oder sollen wir den Theatern, Universitäten, Museen einfach sparen helfen, was man unter anderen Vorzeichen von uns auf Kosten unserer Gesundheit zu verlangen sich schlicht nicht getraut hätte?

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