6833147-1974_50_11.jpg
Digital In Arbeit

Thema: Der Mensch

19451960198020002020

Die Ingolstädterin Marieluise Fleisser, die vor einem halben Jahr starb, hatte in den zwanziger Jahren mit zwei Stücken Erfolg, 1933 war ihre Karriere beendet, nun, fast vierzig Jahre später, wurde sie erklärtes Vorbild für eine Reihe junger Dramatiker. Ihr Jugendstück „Fegefeuer in Ingolstadt“ sieht man derzeit bei den „Komödianten Theater ini Künstlerhäus“.

19451960198020002020

Die Ingolstädterin Marieluise Fleisser, die vor einem halben Jahr starb, hatte in den zwanziger Jahren mit zwei Stücken Erfolg, 1933 war ihre Karriere beendet, nun, fast vierzig Jahre später, wurde sie erklärtes Vorbild für eine Reihe junger Dramatiker. Ihr Jugendstück „Fegefeuer in Ingolstadt“ sieht man derzeit bei den „Komödianten Theater ini Künstlerhäus“.

Werbung
Werbung
Werbung

Da gibt es eine Gruppe junger Menschen, die sich wie eine Meute gegen einen der ihren, gegen diesen Roelle stellen, von dem sie behaupten, er stinke, den sie peinigen, beleidigen, verhöhnen, worauf er, in Überkompensation, glaubt, ein Heiliger werden zu können, was erst recht ihren Spott herausfordert. Und da ist Olga, die Geschwängerte, rüde von ihrem Liebhaber verlassen, die aber nicht zu Roelle findet, obwohl auch sie sich ausgestoßen fühlt und er sie rettet, als sie ins Wasser geht. Das alles ist kein Fegefeuer, das reinigt, sondern ein Inferno sadistischer Triebe, dem diese jungen Menschen ausweglos verfallen sind.

Ist es das ausschließliche Schwarz in Schwarz, das die Kroetz, Fassbinder und Sperr so sehr an der Fleisser fasziniert? Kroetz interpretiert sie gesellschaftskritisch, aber er holt es mit Gewalt herbei. Die Fleisser stellt fest, nicht mehr, sie deutet nicht. Was fangen wir damit an? Wurde hier das Infernalische der Menschheit im Mikroformat dargestellt? Allenfalls. Realistisch dargestellt? Die Sprache ist völlig unrealistisch, es ist die Sprache der Provinz, oft ins Stelzige übersteigert, mit Papierdeutsch und späten Einwirkungen des Expressionismus versetzt. Überinterpretierende Kritiker bewundern dies. Bei Kroetz fehlt das Stelzige.

Obwohl nun Regisseur Conny Hannes Meyer erklärt, man habe in der Aufführung Realismus erstrebt, erreichen die Darsteller dies nur teilweise, es schlägt doch immer wieder die gewohnte übersteigerte Spielweise durch und entblößt damit das Ungefüge der Fleisserschen Sprache. Vollends wird der angepeilte Realismus durch das Bühnenbild von Alimed Hamouda abgewürgt: Im weißen Halbrund der Bühne stehen winzige schneeweiße, fensterlose Spielzeughäuser, dahinter glüht die Wand immer wieder fegefeuerrot auf. Verniedlichung! Übersteigerungen im Spiel werden bei Ottwald John als Roelle, bei Heidi Hagl als Olga und auch bei den andern spürbar.

Das Volkstheater führt in den Wiener Außenbezirken ein Stück von Pavel Kohout vor, das wir vor sieben Jahren in der „Josefstadt“ kennen- lemten: „So eine Liebe“. Damals war Kohout noch nicht verfemt, ja, er hatte in Moskau mit dieser Szenenreihe besonderen Erfolg, da hier erstmals wieder private Probleme aufgeworfen wurden. Ein Herr im Talar untersucht als fiktive sittliche Instanz in zahlreichen Rückblenden die Ursachen, die zum Selbstmord des Mädchens Lida führten, er fragt nach der Schuld. Es zeigt sich, daß Verbindungen von beiden Beteiligten ohne Liebe eingegangen wurden, wodurch letztlich die tiefe, echte Liebe dieses Mädchens zerbrach. Bemerkenswert ist dabei, wie sich die Gefühlswelt des Stücks in subtiler Durchzeichnung von der Brutalitätswelle auf den Bühnen der letzten Jahre abhebt. Regisseur Erich Margo bietet eine gut durchgetönte Aufführung bei deckenden Besetzungen mit Edith Leyrer als Lida, mit Manfred Jaksch als dem von ihr Bevorzugten,

Michael Herbe als Sitzengelassenem, Hans Krassnitzer als Herrn im Talar. Die Bühnenbildnerin entwarf einen simultanen Schauplatz mit Einrich- tungsgegenständen vor schwarzen Wänden.

Herbert Lederer hat eine Folge von Monologen, Aphorismen und Couplets aus Stücken und Aufzeichnungen von Nestroy in zwölf Jahren 828mal im Alleingang gespielt. Unter dem Titel „Ein Narrenhaus“ kürzte er nun den Text erheblich, ersetzte ihn teilweise durch anderen und führte diese neue Nestroy-Montage in seinem Theater am Schwedenplatz vor. Wieder tritt er zunächst im Schlafrock als ein reicher Junggeselle auf, der über seine Amouren berichtet und über „Die Lieb’“ philosophiert, im zweiten Teil kommt er als Hausknecht, in Kondition bei diesem Junggesellen, und setzt uns die wechselvollen Schicksale dieses nicht allzu Arbeitseifrigen und seine Sottisen über die Menschen und das Geld vor. Eine sprühende Fülle von Worten und Wortspielen, blitzgescheiten Beobachtungen und unerbittlichen Entlarvungen bringt Lederer in den zwei fiktiven Rollen vergnüglich zur Geltung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung