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Heiter bis satirisch

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In einer Zeit, da die Menschen mehr und mehr manipuliert, zu gelenkten Robotern werden, kann man wohl fragen, ob sich Roboter nicht vielleicht zum Menschen hin entwik- keln können. Das nimmt Hans Friedrich Kühnelt in seiner Komödie „Ein Tag mit Edward” an, die vor zwanzig Jahren im Akademietheater gespielt wurde und nun vom Volkstheater in den Wiener Außenbezirken aufgeführt wird. Seltener Fall, daß das Stück eines lebenden Autors nach langer Zeit wieder auf den Spielplan gelangt

Nun, Edward ist einer von Tausenden Robotern im London, den sich ein Bastler wissenschaftlicher Prägung ins Haus genommen hat. Aber nicht er entwickelt ihn zum Menschen hin, sondern irrtümlich die Wirtschafterin, da sie in Edward beim Abstauben aus Unachtsamkeit eime „Hemmung” entfernt hat. Aus diesem Zwisdhenbereich zwischen dem Maschinenhaften in Bewegungen und im Sprechen und dem Menschlichem beziehen die Szenen ihre Wirkungen. Die Freundin der Bastlensfrau hält Edward zunächst für einen wirklichen Menschen, der Premierminister holt sich ihn, weil er endlich jemanden mit Gehirn in seiner Regierung haben will. Riilh- rrelts leichte Hand rückt das Stück ins Schwankhafte. Unter der Regie von Karl Schuster ist Adolf Lukan ganz der maschinenhafte und dann sich davon lösende Roboter. Weitere Hauptgestalten zeichnen Albert Ro- lant und Traute Wassler, Helmi Mareich und Marianne Gerzner, andere Figuren sind allzu komödiantisch überbetont.

Von dem in Rom leibenden Italiener Aldo Nicolaj wurden in Wien schon drei Bühmenwerke gespielt. Nun bringt das Theater der Courage in deutschsprachiger Erstaufführung das Stück „Die Eisernen”, das man als szenische Skizze bezeichnen kann. Treffliche Übersetzung von Susanne Germano, und Friedrich Kallina. Zwei Vierundsiebzigjährige unterhalten sich auf einer Gartenbank über ihre Alterssituation, zwischendurch mischt sich eine Pen- siondstdn drein. Das ist alles. Aber die Gereiztheit um Nichtiges, die Remommiererei mit angeblich strotzender Gesundheit, mit vorgeblich guter Behandlung durch die Kinder, besonders bei dem einen, diie Angst vor dem Altersheim, das ist vorzüglich beobachtet, wirbt für Verständnis für die Alten. Immer wieder ergibt sich trotz des vielerlei Unerfreulichen herzliches Lachen. Gespielt wird von Rudolf Jusits, der auch Regie führt, vom Franz Suhrada und Emmy Werner, also jungen Schauspielern, erstaunlich überzeugend, ohne geringste Übertreibung. Abstraktes Bühnenbild vom E. G. Tairiych: Eine Parkbank, hängende Gitter. Ein Stück für Senioren? Nicht nur. Besonderer Erfolg!

Iwan Goll forderte das Überdrama. Der Dichter müsse wieder wissen, erklärte er, daß es noch ganz andere Welten gebe als die der fünf Sinne: Überwelt. Nun schrieb

Jodok Hanns von Gumppenberg, der den „Elf Scharfrichtern” zugehörte, das Stück „Das Überdrama”. Das sieht im der Wiedergabe durch Regisseur Irimbert Ganser im Theater am Belvedere so aus: Eine Pantomime mit sechs Darsteilem, ständiger Kostümwechsel, mehrfaoh groteske Papaermacheköpfe, dazu im Lautsprecher Musik und Fetzen beliebiger Zeitungstexte, schließlich verliest einer eine moderne Moritat, worauf sich die Agierenden der Reihe nach erschießen, vergiften. Man wieiß aber nicht, was vom Autor, was vom Regisseur stammt. Klar: Das soll eine Veruükunig von Golls „Überdrama” sein. Nur fehlt die Nestroysche Treffsicherheit für derlei. — Der lobenswert eifrige Ausgräber Irimbert Ganser findet nicht immer Edelsteine

Die Weitsicht Nestroys ist nicht an das Biedermeier gebunden. Von dieser berechtigten Feststellung geht der Einmanndarstelller Herbert Lederer aus und führt in seinem Theater am Schwedenplatz derzeit eine Montage von Nestroy-Zitaten unter dem Titel ,J>layboy Nestroy” vor. Nun, Lederer trägt dabei Girardihut, weiße Gamaschen und Spazierstock,

kurz, er ist jener Gigolo, der in den zwanziger Jahren dam Playboy von heute entsprach. Zu den Couplets gibt es demgemäß Jazz von damals. Die Texte werden uns tatsächlich zeitlich nähergerückt, wir spüren aber auch, daß sie vor dem Grauen zweier Weltkriege und ihrer Folgen entstanden sind. Das heißt, das Infernalische wirkt zugleich — in erstaunlicher Antithese — liebenswürdig. Was sich bei dieser Darbietung an attraktiver Menschenbeobachtunig und Weltbetrachtung beinahe explosiv drängt, steigert nur noch die Hochachtung vor Nestroy. —- Lederer führt Monat für Monat alternierend dieses Programm und die vor kurzem herausgebrachte andere Nastroy-Momtage „Ein Narr’nhaus” vor.

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