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Der Mensch als Sklave

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Im letzten Krieg propagierte die gelenkte Meinungsmache unermüdlich Friedrich den Großen, sozusagen zum Frühstück, zum Mittagessen, zum Abendessen. Selbstredend einen glorifizierten, heldischen Friedrich, wie er in preußischer Sicht lebt, einen völlig verfälschten Friedrich, in dem die Verachtung der Menschen, das Grausame seines Machtwillens, das Verbrecherische seines Raubinstinkts — Schlesien! — eliminiert war. Wer sich den Blick nicht vernebeln ließ und auch nur Friedrichs Gespräche mit Catt, seinem Gesellschafter, gelesen hatte, erhielt ein anderes Bild. Dieser Herrscher ist insofern eine faszinierend einmalige Erscheinung, als er geistige Größe, musische Veranlagung mit fanatischem Despotismus vereint. Das Stück „Armer Alter Fritz“ von Romulus Linney, das derzeit im Burgtheater aufgeführt wird, bietet eine Darstellung, die Einseitigkeit vermeidet. Bemerkenswert: Linney ist Amerikaner.

Man sieht wie aus dem jungen, der Musik und der Dichtkunst ergebenen Kronprinzen, den sein Vater in der abscheulichsten Weise demütigt, dann selbst ein Herrscher wird, der die Menschen zu Sklaven seines Machtwillens erniedrigt. Man sieht, wie beschämend er die eigene Frau behandelt Die Liebe-Haß-Beziehung zu Voltaire, den man die geistige Ergänzung Friedrichs genannt hat, wird vorgeführt. Voltaire, charakterlich unsauber, wirft ihm den Raub Schlesiens vor. Das Wortduell zwischen beiden wird zur Kemstelle der Szenenreihe.

In dem geschickt gebauten Stück zeichnet Linney gut die psychologische Entwicklung Friedrichs, die Dialoge blitzen, aber es fehlt der beherrschende Grundeinfall, eine beherrschende Idee, alles bleibt zu sehr dem Historischem verhaftet. Man hat den Eindruck: Szenisch umgesetzter, packender Geschichtsunterricht. Uneinsichtige erhalten verdienstvoll die Anregung, über Friedrichs wahres Wesen — im Politischen ein Vorläufer Hitlers — nachzudenken. Reizvoll wirkt die Art der Darbietung, die meisten Szenen sind Rückerinnerun- gen des alten Königs. Dabei wird Früheres und Späteres ineinandergeschnitten.

Regisseur Leopold Llndtberg setzt überlegen die reichen Mittel der Bühne für diese szenische Montage ein. In riesenhaften goldenen Rahmen — Bühnenbild: Zbynek Katar — erscheinen verschiedene Porträts des Königs. Später bleiben nur die Bildflächen, auf die laufend Tuschzeichnungen mit Illustrationen zu den jeweiligen Vorgängen projiziert werden. Heinz Reineke glaubt man als Friedrich, trotz heiserer, fast knarrender Stimme diesen König, sein Format, das herrisch Überlegene. die Härte, die Verachtung der Menschen, das letztlich Unglückliche. Eine hervorragende Leistung. Michael Janisch stellt überzeugend die plumpe Brutalität seines Vaters dar,’ Elisabeth Orth das bedauernswert Verkümmerte seiner Frau. Günther Haenel wirkt optisch gut als Voltaire, verbal dann, wenn er auf Larmoyanz verzichtet. Paul Angerer verwendete für die zeitcharakteristische Musik Kompositionen des Königs. Die treffliche Übersetzung schuf Lida Winiewicz.

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Der Dramatiker Peter Weiß protestierte nicht, wie Ionesco feststellte, „gegen den Völkermord, der gegen Israel vorbereitet wurde und vorbereitet wird“. Er verurteilte zwar die Invasion der Sowjetunion in der Tschechoslowakei, wandte sich aber keineswegs gegen sonstige Gewaltmethoden in totalitären Staaten, prangert aber nun in seinem „Gesang vom Lusitanischen Popanz", den derzeit die „Komödianten" im Theater am Börsenlatz Vorführern, die Unterdrückung der Eingeborenen in Angola durch die Portugiesen an. Das geschieht in diesem nolitischen Pamphlet Brechtscher Manier mit Agitationsparolen der zwanziger Jahre, mit verknappten Leitartikelsentenzen primitivster Art, wobei Sprecher wechselnd sowohl die Worte der Weißen wie der Schwarzen wiedergeben. Arger Abstieg nach dem „Marat“. Sich gegen Terror zu wenden, wirkt nur dann, wenn man sich nicht in weiten Bereichen blind gegen ihn erweist. Unter der Regie von Otto Zonschitz und Ilse Scheer bieten die ..Komödianten" eine überaus sehenswerte Wiedergabe. Verbales ist da in Bewegungsvorgänge umgesetzt, die durch klangliche und geräuschliche Effekte akzentuiert werden. Außerordentliche Phantasie vereint sich mit äußerster Präzision. Diese Truppe bestätigt neuerlich ihre besondere darstellerische Eigenart.

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Franz Krahberger erhielt für seine verbale und filmische Montage „the perfection“ — englische Titelgebung in Nachahmung von Wolfgang Bauer — den Dramatikerpreis der Innsbrucker Kulturwochen 1969. Die Uraufführung erfolgte durch das IKAe unter der Regie von Herbert Traub im Wiener Palais Erzherzog Karl. Im Zuschauerraum wurde ein Fließband auf gestellt, das gelbe Nachttöpfe transportiert. Ein Arbeiter, dargestellt von Herbert Mako, verpackt sie, dabei wird er von Stimmen im Lautsprecher befragt, getestet. Gleichzeitig laufen Filmprojektionen, die seine Antworten illustrieren, aber auch Bilder vom Vietnamkrieg vorführen, wozu kontrastierend etwa das Lied „Guter Mond, du gehst so stille“ zu hören ist. Es stellt sich heraus, daß dieser Arbeiter durchaus aller Vergünstigungen heutiger sozialer Wohlfahrt teilhaftig ist. aber die Arbeit und den Arbeitgeber haßt. Wobei der Autor nicht bemerkt, daß es die völlig gleiche Fließbandarbeit auch in den totalitären Staaten gibt. Politisch unreife Vorstellungen verbinden sich mit einer bemerkenswerten Nutzung theatralischer Mittel.

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Das Theater in der Josefstadt brachte die gewichtslose Komödie „Handicap" von William Douglas Home, dem Bruder des ehemaligen britischen Premierministers, zur deutschsprachigen Erstaufführung. Frage: Wie macht der Ehemann der seiten- springenden, erheblich jüngeren Gattin den Liebhaber abspenstig? Er bleibt liebenswürdig überlegen, holt ihn zu trautem Beisammensein, ebnet zuvorkommend die Wege zur Scheidung und präsentiert zum Schein eine attraktive Nachfolgerin, worauf Eifersucht die Rückkehr der Ungetreuen bewirkt. Die sordinierte, etwas antiquierte Noblesse dieser Schule für Gehörnte findet unter der Regie von Erich Winterstein, der die letzten Proben allerdings wegen Erkrankung nicht mehr leitete, eine adäquate Wiedergabe. Axel von Ambesser gibt dem Gatten vollendet nonchalanten Charme, Ursula Schult der Gattin kapriziösen Reiz in vielfältiger Facettierung. Gottfried Neumann-Spallart schuf das Bühnenbild, einen apart vornehmen Wohnraum.

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