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Zwiespalt des Tuns

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Kein Zweifel, der erste Teil des „Faust“ von Goethe ist ohne den zweiten Teil unvollständig. Die Frage bliebe offen, wie der Teufelspakt ausgeht. — Nun muß man aber im zweiten Fall die Hälfte der Verse kürzen, soll die Wiedergabe nicht allzu lange dauern. Werden beide Teile an einem Abend gespielt, sind noch schärfere Raffungen erforderlich. Richard Beer-Hofmann schuf solch eine Fassung 1932 für das Burgtheater. Auf sie stützt sich Regisseur Gustav Manker bei der derzeitigen Aufführung beider Teile an einem Abend im Volkstheater.

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Kein Zweifel, der erste Teil des „Faust“ von Goethe ist ohne den zweiten Teil unvollständig. Die Frage bliebe offen, wie der Teufelspakt ausgeht. — Nun muß man aber im zweiten Fall die Hälfte der Verse kürzen, soll die Wiedergabe nicht allzu lange dauern. Werden beide Teile an einem Abend gespielt, sind noch schärfere Raffungen erforderlich. Richard Beer-Hofmann schuf solch eine Fassung 1932 für das Burgtheater. Auf sie stützt sich Regisseur Gustav Manker bei der derzeitigen Aufführung beider Teile an einem Abend im Volkstheater.

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Ihm geht es vor allem darum, das Volksstückhafte dieser Dichtung her- auszuarbeiten, da die Volkssage als Anregung diente. So nun bietet er mit Hilfe des Bühnenbildners Georg Schmid eine Art Pawlatscheninsze- nierung. Das heißt : die Bühne bleibt in ihrer Nacktheit fast leer, es gibt keine Dekorationen, lediglich ein primitives Spielgerüst, in das nur auf zwei, drei Quadratmetern Gret- chens Stube eingebaut ist. Erst im zweiten Teil deuten einige bemalte Hänger die Schauplätze an.

Der Rat des Direktors aus dem „Vorspiel“, man möge „Porspekte nicht und nicht Maschinen“ schonen, wird also nicht befolgt. Das Optische ist eliminiert, die Dichtung ist ganz aufs Wort und die Schauspieler gestellt. Warum nicht! Bedarf es bei der Wiedergabe dieses Werks schon an sich sehr starker Schauspielerpersönlichkeiten, so erst recht hier. Auch in einer volksstückhaften Darbietung darf die Dimension nicht verlorengehen. Das ist aber bei den beiden Hauptdarstellern der Fall. Peter Wolsdorff hat als Faust nicht die geistige Kraft dieser Gestalt, er erledigt die Anfangsszenen mit Heftigkeit und Tempo, verlegt sich dann auf gutes Sprechen, ohne zu gestalten. Der Mephisto des Eugen Stark ist zwar durchaus der Volksstückteufel bis zu dem vom Kasperletheater hin, aber die Tiefe des Geistes, der „stets verneint“, müßte doch auch zu spüren sein. Weiters: Heidi Picha setzt als Margarethe gut an, wirkt aber unausgeglichen, Hilde Sochor ist eine glaubhafte Marthe, Ilse Laika eine Helena von verführerischer Schönheit Die vielen kleineren Rollen sind gut besetzt.

„Revolte auf Cöte 3018“ ist das früheste Stück von Odön von Horvath, dem er unter dem Titel „Die Bergbahn“ eine nur wenig veränderte zweite Fassung gegeben hat, die derzeit von den „Komödianten“ im Wiener Künstlerhaus aufgeführt wird. Das sind locker gefügte Szenen um den Bau einer Bergbahn. Ein arbeitsloser Friseur möchte da eingestellt werden, aus nichtigem Anlaß schlägt ihn ein jähzorniger Arbeiter nieder, der dann darob Reue empfindet. Der Aufsichtsrat der Untemeh- merfirma gibt Richtlinien von rüder Rücksichtslosigkeit in kapitalistischem Interesse. Die Arbeiter revoltieren, als die Arbeit im Oktober vorzeitig wegen eines Wetterumschlages eingestellt wird, greifen den leitenden Ingenieur tätlich an, der wehrt sich mit der Pistole, tötet zwei, tritt in der Erregung fehl und stürzt in den Abgrund. Aufruf zur

Gewalt im Klassenkampf? Kaum. Gewalt bringt bloß Blut, da gedeiht nichts, sagt ein älterer Arbeiter, wohl Horvaths Meinung. Das Fesselnde des Stücks liegt jenseits einer Tendenz in der Darstellung der Arbeiter, ihrer Gespräche, ihres Lebens hoch im Gebirge unter der Einwirkung einer sie stets bedrohenden Natur.

Dies szenisch wirksam zu machen ist nicht leicht. Es gelingt Gerhard Jax als Regisseur und Ausstatter dennoch vorzüglich. Der Eindruck von Bauplätzen im Hochgebirge wird durch steile Holzsteigen und hängende, riesige Zeltbahnen vermittelt, die sich fallweise zu verschiedenartiger Windmusik von Rudi Tinsobin stärker oder schwächer bewegen. Erhard Pauer als Friseur, Manfred Lukas-Luderer als der ihn niederschlagende Arbeiter, Frank Debray als älterer Arbeiter, sowie Dieter Hofinger als von seiner Aufgabe besessener Ingenieur, Helmut Wiesner als kalt berechnender Aufsichtsrat, Helga lllich als Kantinenköchin; auch alle übrigen Darsteller bieten überzeugende Leistungen. *

Die Experimente von Prof. Milgrams von der Yale-Universität, bei denen erkundet wurde inwieweit sich Menschen bereitfinden, auf Befehl Foltermethoden anzuwenden, sind einschließlich ihrer erschreckenden Ergebnisse allgemein bekannt. In dem einaktigen Stück „Simulation“ von Dieter Kühne, das derzeit im Kleinen Theater im Konzerthaus aufgeführt wird, sehen wir lediglich, wie solch ein Experiment vor sich geht. Es beeindruckt kaum mehr als die Zeitungsberichte. Kein Darüber- hinaus, völliges Versagen des Autors. In dem folgenden „Dialog am Vorabend einer Gerichtsverhandlung“ des Tschechen Oldfich Danek steht der Chef einer Klinik unter Anklage, einem Sterbenden zu Transplantationszwecken eine Niere entnommen zu haben. Darüber diskutieren an diesem Vorabend eindrucksvoll der Arzt und der die Anklage vertretende Staatsanwalt, der ihn dazu aufsucht. Alles Für und Wider wird eingehend durchgesprochen, aber es bleibt bei der Einstellung des Arztes, der bewußt gegen das Gesetz handelte, das er dennoch grundsätzlich anerkennt, und der Einstellung des Staatsanwalts.

Zwei Regieassistenten wurden als Regisseure eingesetzt, im ersten Stück leistet Nicolaus Windisch- Spoerk glatte Arbeit, im zweiten erweist sich Heiko Rail als trefflicher Schauspielerführer. Einwandfreie Wiedergabe der „Simulation“ durch Rudolf Jusits als „Schüler“, Herbert Kersten als kalt beobachtender Versuchsleiter, sowie Peter Hofer und Reinhard Reiner als „Lehrpersonen“, Guido Wieland ist im „Dialog“ als Klinikchef sehenswert, die facettenreiche Gestalt wird als starke Persönlichkeit spürbar. Auch Carl Bosse überzeugt als Staatsanwalt. Elfriede Ramhapp hat als Krankenschwester nur eine winzige Rolle. Wolfgang Müller-Kar- bach entwarf stückgerechte Bühnenbilder.

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