6566085-1949_48_02.jpg
Digital In Arbeit

Die tote Insel

Werbung
Werbung
Werbung

In einer Sitzung des Unterhauses erklärte der britische Außenminister, die Royal Air Force werde auch weiterhin die Insel Helgoland als Ziel für Probebombenabwürfe benutzen. Dem Interpellanten Professor Douglas L. Savory wurde begreiflich gemacht, daß man nicht davon ausgehe, eine einstige Erholungsstätte vieler Menschen zu zerstören, „aber es ist äußerst schwer, geeignete Ziele für Bombenabwürfe zu finden, und Helgoland ist durch seine geographische Lage der einzig günstige Ort, der sich für die Übungen eignet“. Der Wunsch einstiger Bewohner der Insel, daß der Fremdenverkehr wieder aufgebaut werde, sei bei dem Fehlen aller natürlichen Hilfsmittel leider nicht zu erfüllen; auch sei die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Insel zu gering. Aus dem gleichen Grunde haben die alten Fischer, die in einem Bombenkrater die Kirchenglocke der früheren Inselkirche fanden und die britischen Behörden baten, die

Glocke für eine neue Kirche auf Sylt abtransportieren zu dürfen, keine Antwort erhalten.

Wenn man schon dem Herrn britischen Außenminister, der im Commonwealth nirgends sonst Platz für massierte Bombenattacken findet, in dieser Hinsicht nicht mit Rat beistehen kann, so wäre es doch nicht schwer, die wirtschaftliche und kulturelle „Bedeutungslosigkeit“ der Insel, des „ohnehin nur 0,64 qkm großen Felsens“, zu illustrieren. Auf Helgoland befand sich nämlich eine weltbekannte biologische Anstalt, deren Forschungsergebnisse der gesamten wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugute kamen; weiter standen dort ein sehr instruktives Nordseemuseum, eine Erdbebenstation und die berühmte Vogelwarte, nächst Rositten, welche die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft betreute, deren Schicksal infolge der Angliederung an Rußland so gut wie besiegelt ist, die bedeutendste ornithologische Anstalt Mitteleuropas. Das ist ja nun alles glücklich kaputt.

Die Fortpflanzung der Vögel, Zugrichtung, Mauser und die jahrzehntelang durchgeführte Beringung sind auch begreiflicherweise heutzutage unwichtig, wo stählerne Voįįel fliegen, sich am laufenden Band fortpflanzen, Zugrichtüng durch Radar gesichert wird, die Politik sich mausert. Da freilich braucht man auch die Kirchenglocke auf

Sylt nicht mehr: zur festgesetzten Stunde kann man dort von Helgoland her die Detonationen hören, die ohne Uhr anzeigen, wieviel es geschlagen hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung