Sandmann kontra KI

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Wer Künstliche Intelligenz in einem Mediengesetz nicht einmal erwähnt, hat noch den Traumsand in den Augen.

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Wer Künstliche Intelligenz in einem Mediengesetz nicht einmal erwähnt, hat noch den Traumsand in den Augen.

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Was in Österreich das „Betthupferl“, war in Deutschland das „Sandmännchen“: eine Gute-Nacht-Sendung für Kinder. ORF und ARD begruben beide in den 1980er Jahren. Doch in Deutschland galt der Abschied nur für die West-Version. Die Ost-Variante läuft bis heute in RBB, MDR und KiKA, während in Österreich die Erinnerung an die ursprüngliche Sagengestalt verloren geht: jene Figur, die den Kindern Sand in die Augen streut, der Schlaf und Träume entstehen lässt.

An diesen Mythos erinnert aktuell die Medienbranche im deutschsprachigen Raum. In Österreich hadert sie mit der Politik, die ihr öffentlich-rechtliches Rundfunkkind allzu lange stillt. Dabei sollte es dem Monopol doch längst entwachsen sein. Das zwischen Nestflüchter und -hocker unentschiedene Unternehmen lässt sich den Sand aus dem neuen ORF-Gesetz in die Augen streuen. – Unterdessen tagt in Wien der „European Publishing Congress“ zu Künstlicher Intelligenz. Wenige Tage später streicht Bild, Europas größte Zeitung, ein Drittel seiner Regionalausgaben und trennt sich von 200 Mitarbeitern, „die in der digitalen Welt durch KI […] ersetzt werden“. Weder Künstliche Intelligenz noch ihr Kürzel KI kommen im ORF-Gesetz vor.

Der Kahlschlag bei Bild ist auch hierzulande relevant, weil ihr Verlag Axel Springer als Klassensprecher für rasante Digitalisierung wirkt. Konzernleiter Mathias Döpfner, Hauptredner der Wiener Medien-Enquete 2018, war bis Herbst auch Verlegerpräsident. Gegenspielerin Julia Becker, Chefin des Krone-Hälfte-Eigners Funke, setzt akzentuiert auf jenen regionalen Journalismus, den Bild jetzt einspart.

Für diesen Wettlauf von existenziellen Strategien ist intensive Auseinandersetzung mit KI Voraussetzung. Wer sie in einem Mediengesetz nicht einmal erwähnt, hat noch den Traumsand in den Augen oder steckt den Kopf in den Sand. Beides ist fahrlässig.

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