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Tankstellen an der Via Appia

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Spät, fast zu spät, merken die Römer, daß sie mit der unbekümmerten Verwüstung ihrer Stadt während des letzten Jahrzehnts ein Kapital aufgezehrt haben, wo sie sich mit den Zinsen begnügen hätten sollen. Die ungehemmte Bauspekulation der Nachkriegszeit hat schlimmeren Schaden verursacht als die Barbareneinfälle aller Zeiten, inbegriffen jene der „Piemontesen“ nach dem Jahre 1870. Für das plötzlich erschreckte Erkennen, wieviel lustig durchgebracht und unwiderruflich verloren wurde, ist die gleichzeitige Eröffnung dreier Ausstellungen bezeichnend, die sich alle drei mit dem „Rom von einst“ beschäftigen. Das traurigste Beispiel bietet zweifellos die Via Appia, die „antica“ natürlich, ausschließlicher Gegenstand einer Schau im Palazzo Venezia, die zugleich Anklage gegen Unverstand und Gewissenlosigkeit ist. Wenn in Rom immer noch Ansichtskarten verkauft werden, die die „Königin der Straßen“ mit ihren Grabruinen, Zypressen, Aquädukten, mit den im Hintergrund verschwimmenden blauen Albanerbergen und vielleicht sogar mit friedlich weidenden Schafherden zeigen, so entsprechen sie der Wirklichkeit nicht mehr als etwa die Stiche aus dem 18. Jahrhundert. Die Via Appia von heute ist von lächerlich „antik“ maskierten Tankstellen, von gigantischen Reklametafeln für Zahnpaste und Benzin, von lärmenden neonbeleuchteten Gaststätten gesäumt, die Mietkasernen der Vorstadt drängen wie ein Lavastrom gegen sie an und man braucht nur ein paar Schritte rechts oder links zu machen und stößt auf die sich frech zwischen die Reste alter Vergangenheit zwängenden Luxusvillen der Filmstars oder auf jene horrenden Bauten, die geistliche Orden unter Mißachtung jedes Stilgefühls aufgerichtet haben.

Aus dem Jahre 1953 stammt der ambitiöse Vorschlag eines Sondergesetzes, das die Abreißung aller nach 1944 entstandenen Bauten gegen Entschädigung der Eigentümer vorsah. Zu diesem Zweck sollten jährlich an die hundert Millionen Lire ausgegeben werden. Das Projekt fiel, als sich herausstellte, daß die Stadtgemeinde sich auf diese Weise für nicht weniger als drei Jahrhunderte finanziell hätte verpflichten müssen. Was heute vorgeschlagen wird, ist viel

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