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Woody Allens Autobiografie mit dem schönen Titel „Apropos of Nothing“ wird nun also, obwohl gedruckt, nicht erscheinen, weil Mitarbeiter und Autoren den Hachette-Verlag öffentlich unter Druck gesetzt haben. Die Initiative ging von Dylan Farrow, der gemeinsamen Adoptivtochter von Allen und Mia Farrow, aus, die 1992 in einem Sorgerechtsverfahren nach der Trennung der Eltern den Vorwurf des Missbrauchs gegen ihren Adoptivvater erhoben hatte. Die geplante Publikation seiner Memoiren sei „erschütternd“, meinte sie und warf dem Verlag „Komplizenschaft“ vor. Die Familie ist seit damals gespalten und trägt den Zwist mit medialer Verstärkung aus.

Woody Allen hat den Vorwurf stets bestritten, es kam zu keiner Anklage. In einer hysterisierten Öffentlichkeit genügt jedoch ein immer wieder geschürter Verdacht, um einen Menschen nachhaltig zu diskreditieren, ja mundtot zu machen. Einer, dem man gewisse Dinge nachsagt, hat sein Recht auf freie Meinungsäußerung – auf die ja dann die Meinungsäußerungen seiner Wider­­sacher folgen könnten – schlicht verwirkt.

Wir werden sehen, ob der Versuch der Zensur durch Erpressung auch bei Rowohlt funktioniert, wo die deutsche Ausgabe für Anfang April angekündigt ist. Schon gibt es einen Protestbrief von Verlagsautorinnen und -autoren. In Paris haben Aktivistinnen vergeblich versucht, die Verleihung des César an Roman Polanski zu verhindern. Er hat sich 1978 dem US-Gerichtsurteil in einem Vergewaltigungsprozess (er hatte „nur“ sexuellen Kontakt mit einer Minderjährigen zugegeben) entzogen, nun sind „neue Vorwürfe“ aufgetaucht. Dass sein Film „J’accuse“ den Antisemitismus und Kadavergehorsam in der Dreyfus-Affäre beleuchtet, scheint unerheblich, „Vorwürfe“ genügen, um das Lebenswerk eines Ghetto-Überlebenden für nichtig zu erklären. Aus Me Too ist You Too geworden. Und aus der Debatte ein Femegericht.

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