6970830-1985_29_02.jpg
Digital In Arbeit

Fresken sind schuldlos

Werbung
Werbung
Werbung

Dem Bischof von Innsbruck kann für sein mannhaftes Auftreten gegen die „Wahnvorstellung” der Ritualmordlegende von Rinn nicht genug gedankt werden. Diesen Dank hat nun auch die ,Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich” abgestattet, aber hinzugefügt, angesichts der „massiven Gegenwehr der Rinner Bevölkerung” sei es nun „kaum mehr möglich”, hinter dem Anderle-Kult „keinerlei rechtsextreme und antisemitische Strömungen” zu entdecken.

Doch, das kann man aber. Zwar hat Bischof Reinhold Stecher selbst bereits am 18. Juni „derartige Ideen” im „Umfeld und Hintergrund” des Rinner Religionskrieges geortet, aber mit gutem Grund davor gewarnt, hinter allen Anderl-Verehrern nur Antisemiten und Neonazis zu vermuten. In Wahrheit steckt dahinter ein falsch vermittelter Glaube!

Die Rinner möchten sicher nicht als Judenfresser in die internationale Presse eingehen. Wogegen sich die meisten von ihnen wehren, ist die Demontage eines Heiligenkults, den sie mit vielen Gebetserhörungen verbinden. Der Anderl, der in der Vergangenheit gegen Krankheit und Not, Menschen- und Viehsterben geholfen hat, soll als Fürsprecher erhalten bleiben.

Was Bischof und Pfarrer den Rinnern jetzt vor allem erklären müßten, sind nicht nur Konzil und Auschwitz, sondern Glaubensfakten: daß nicht der Anderl und auch nicht irgendein anderer Heiliger ihnen und uns allen hilft, sondern Gott. Daß wir uns diesem oft über heilige Fürsprecher nähern, aber Gott uns auch dann erhört, wenn wir versehentlich einen wählen, den es als Heiligen nie gegeben hat — Sankt Christoforos etwa oder halt den Anderl. Und daß die Ersetzung eines irrigen Kults durch den rechten Glauben uns um keine Heilstat Gottes bringt.

Die Volksfrömmigkeit kann irren — so wie der Papst und jeder katholische Christ. Wer das einmal einsieht, wird sich auch dem Verdacht des Antisemitismus leichter entziehen können, wo dieser wirklich nicht zutrifft. Und dann wird man auch Dokumente des Irrtums (wie etwa das Deckenfresko in der Wallfahrtskirche Judenstein) nicht mehr zerstören oder auch nur abbauen müssen.

Der Versuch, alle Kunstwerke zu demontieren, die einem irrigen, oft auch gefährlichen Glauben entsprangen (etwa auch christliche Schlachtenverherrlichungsgemälde), käme einer Verwüstung von Kirchen und Museen gleich. „Umdenken”, nicht „Umstürzen” müßte die Parole sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung