Hat es das jemals gegeben: Einen Menschen, der durch ein einziges Buch weltberühmt wurde, nein, eigentlich nicht durch ein Buch, sondern nur durch dessen verselbständigten, zum Schlagwort gewordenen Titel, durch ganze vier Wörter, die nicht nur den Mann überlebten, sondern auch sein Werk?
Erraten: ,£)er Untergang des Abendlandes“. Der Autor, Oswald Spengler, starb vor 50 Jahren. Der Gebildete unterscheidet sich vom Ungebildeten dadurch, daß er zum Buchtitel papageienhaft den Namen des Verfassers assoziiert. Was in dem Werk drinsteht, davon haben viele eine diffuse Vorstellung, aber nur wenige wissen es wirklich. Und die versichern: Die diffuse Ahnung genügt.
Spenglers Theorie scheiterte an ihren Ungereimtheiten, vor allem an der Vorstellung, Kulturen können ohne gegenseitige Beeinflussung ihr vorgezeichnetes Schicksal erfüllen. Was von Spengler blieb, ist eine frühzeitige Warnung (der erste Band erschien 1918!): Er sah Kulturen als sterbliche Organismen, noch nicht die ganze Menschheit.
