„Die Kirche in Judenstein ist den unschuldigen Kindern und dem seligen Andreas von Rinn geweiht. Sie wurde auf Betreiben des Haller Damenstiftsarztes Hypolit Guarinoni 1670 - 71 erbaut. Erst 1730 wurde das Gewölbe mit sehr elegantem Stuck versehen. Die Deckengemälde schufen 1776 Franz und Josef Giner aus Thaur. Es sind die einzigen Bildern, die von diesen Künstlern erhalten sind. Im Falle des seligen Andreas von Rinn handelt es sich um eine Legende.
Die Legende sagt, daß 1462 das dreijährige Kind einer Witwe, die auf den Feldern von Amras arbeitete, in ihrer Abwesenheit von seinem Paten an durchreisende Männer verkauft wurde. Das Kind hat sich offenbar gesträubt und dürfte geschrieen haben, sodaß die Männer im Zorn den kleinen Anderl auf einem Stein im Wald umbrachten. Uber diesem Stein wurde 200 Jahre später diese Kirche erbaut. Es ist also klar, daß dieses Ereignis nichts mit dem jüdischen Volk zu tun hat. Die künstlerische Bedeutung der Kirche liegt mehr in den Stukkaturen, Deckenbildern und dem schönen Hochaltar als in der Architektur.“
Dieser Text, festgehalten auf einer erstmals im Jahr 1972 auf Initiative der Aktion gegen den Antisemitismus in
Österreich in der Kirche von Judenstein bei Innsbruck angebrachten Tafel, war 1978 von Unbekannten entfernt worden, was von der FURCHE wie auch von anderen Publikationen kritisch vermerkt worden war. Seit einigen Wochen hängt der Text auf Veranlassung des Abtes von Wüten, Alois Stöger, wieder an dem dafür vorgesehen Platz. Die Tafel gilt als Erklärung zu den im Text erwähnten Deckenfresken, auf denen die Ermordung des Anderl durch Juden dargestellt wird.
Leider immer noch deutlich sichtbar an der linken Längsseite der Kirche angebracht ist eine große Tafel mit einer detaillierten Darstellung des angeblichen Ritualmordes auf dreißig kleinen Bildern mit entsprechendem Text. Diese Votivtafel waren bereits 1961 auf Ersuchen der Aktion gegen den Antisemitismus bei Kardinal König aufgrund einer vatikanischen Bulle entfernt worden, hängt jedoch seit drei Jahren wieder am selben Platz.
Die Wiederanbringung des erklärenden Textes zum Deckengemälde gibt zu berechtigten Hoffnungen Anlaß, daß auch die diskriminierende Votivtafel in absehbarer Zeit aus der Kirche in Judenstein als dem Geist des1 Christentums widersprechend wieder entfernt wird.