Ein großes Glück

19451960198020002020

Erinnerung an die Dichterin Wisława Szymborska, die am 2. Juli 100 Jahre alt geworden wäre.

19451960198020002020

Erinnerung an die Dichterin Wisława Szymborska, die am 2. Juli 100 Jahre alt geworden wäre.

Werbung
Werbung
Werbung

Glück müsste man haben. Jetzt besonders. Aber vielleicht hat der eine oder die andere mehr Glück als Verstand oder als die Künstliche Intelligenz ihr oder ihm es vorschreiben wollte – wenn sie das überhaupt wollen könnte – als ein neues Gedicht vom Glück. Erdenklich und beseelt kann ein Mensch aus Fleisch und Blut das wohl doch noch besser.

Die am 2. Juli vor hundert Jahren geborene Dichterin Wisława Szymborska schrieb ein Poem, „Ein großes Glück“. Es tut gut, gegen das flächendeckende Unglück wie das Schiefglück der Lebensgestaltung und Lebensmissbildung dieser Tage zu lesen: „Ein großes Glück, / nicht genau zu wissen, / in welcher Welt man lebt.“

Diese Worte sind wie ein Pfeil, der die lesende Person wird, ins All oder in eine Deuteheimat geschossen, von der die Dichtenden zu jeder Zeit wissen, wie auch Novalis: „Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns oder nirgends liegt die Ewigkeit mit ihren Welten.“ Und hier mag der fragende Mensch in seiner Tiefsorge den Korrekturstift finden für sein Weltbild, das zu ihr und dem ganzen großen, wunderbaren, zerfetzten, frohen, unfassbar traurigen Leben passt. „Sich über den Körper erheben, / der nichts so gut kann / wie begrenzen / um Umstände zu schaffen… sich über die Zeit erheben, in der alles rast und rotiert.“ Ein Sehnsuchtsglückwunsch der Jubilarin Szymborska.

Glück müsste man haben. Jetzt besonders. Hier und dort. Auch in den Zeugnisnoten und im Sommer und dann.

Der evangelische Theologe Jörg Lauster hat einmal gesagt: „Es gibt kein Glück ohne Gott“. Für ihn sind „zwei Glückskonzepte“ miteinander verbunden: das Streben nach dem Guten, das „Strebensglück“ und das unverdient zukommende „Augenblicksglück“. Von beiden Arten des Bonheurs wünsche ich – in allem schmerzdurchfurchten Leben – von ganzem Herzen ein großes Glück!

Die Autorin ist evangelische Pfarrerin i.R.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung