Entschädigung – ohne Murren

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Das Bistum Augsburg äußerte kürzlich Bedenken bezüglich der lebenslangen Folgeschäden in einem Missbrauchsfall, in dem die „Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen“ dem Betroffenen eine Entschädigung von 150.000 Euro zugesprochen hatte. Ein Argument des Bistums: Da der Betroffene eine eigene Familie sowie beruflichen Erfolg habe, könne es ihm nicht so schlecht ergangen sein.

Das Argument negiert die bleibend erhöhte Vulnerabilität von Überlebenden. Deren Lebensverhältnisse können auch dann, wenn sie nach außen stabil erscheinen, sehr fragil sein. Beispielsweise kann Suizidalität überraschend wieder ausbrechen, obwohl sie schon überwunden schien. Besonders perfide ist am Argument des Bistums, dass die Leistung eines Betroffenen, aus seiner erhöhten Vulnerabilität heraus trotzdem Resilienz zu entwickeln, gegen ihn verwendet wird. Auf Kosten von Überlebenden wird zu pekuniären Gunsten der Kirche gehandelt.

Vielleicht liegt hier der Irrtum vor, dass hohe Vulnerabilität und hohe Resilienz sich wechselseitig ausschließen. Aber in der Kirche müsste man es im Blick auf die eigenen Traditionen besser wissen. War die grauenerregende Kreuzigung Jesu gar nicht so schlimm, weil Jesus Auferstehung erfahren hat? Oder im Blick auf Weihnachten: Auf ihrer Flucht nach Ägypten waren Maria und Josef extrem verwundbar – und zugleich resilient, indem sie der Gewaltsamkeit eines autoritär agierenden Königs widerstanden. Die Argumentation des Bistums hat etwas Verletzendes. Sie wird weder der Vulnerabilität noch der Resilienz von Überlebenden gerecht. Opferorientierung sieht anders aus. Die Bistümer – und das gilt nicht nur für Augsburg – sollten sich an die Ergebnisse unabhängiger Kommissionen halten und anstehende Entschädigungen ohne Murren leisten.

Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg.

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