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Korrigierte Justizirrtümer

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In der Geschichte der staatlichen, aber auch der kirchlichen Rechtspflege gibt es viele Beispiele für Justizirrtümer, die entweder auf Formfehlern des Verfahrens oder auf Blindheit gegenüber den Fakten, nicht selten aber auch auf zeitbedingten Vorurteilen und Mißverständnissen beruhten. Nur wenige dieser Irrtümer sind bekannt, noch weniger offiziell korrigiert worden, liegt es doch angesichts des besiegelten Irrtums nahe, die Dinge ruhen zu lassen und zur Tagesordnung überzugehen. Umso erfreulicher sind die Beispiele, in denen sich die irrende Autorität, wenn auch erst nach langer Zeit, an ein Eingeständnis begangener Fehler heranwagt und dazu durchringt, ein Fehlurteil als solches zu bezeichnen und aufzuheben.

Für die katholische Kirche ist es besonders schmerzlich, aber auch verdienstvoll, solche Irrtümer eingestehen zu müssen, aber auch korrigieren zu können. Bekannte Beispiele solcher Korrekturen sind die Rehabilitierung der französischen Nationalheiligen Jeanne d’Arc, die 1431 verbrannt und 1920 heiliggesprochen wurde und die Neuaufrollung des Prozesses gegen Galileo Galilei, der zwar zum Glück nicht hingerichtet, aber inkriminiert worden war. Nun hat der Papst eine Theologenkommission damit beauftragt, den Prozeß gegen den tschechischen Reformator Jan Hus, der 1415 auf dem Konzil zu Konstanz verurteilt und verbrannt wurde, zu untersuchen und den Fehlem, die damals begangen wurden, nachzugehen.

Solche Aktionen sind freilich nicht imstandle, begangenes Unrecht und dessen verheerende Folgen in der Geschichte, die vor allem im Falle von Hus klar zutage- treten, ungeschehen zu machen, aber es ist ein Zeichen von Größe und des Vorhandenseins einer metaphysischen Dimension, sich dieser demütigenden, aber auch befreienden Klärungsarbeit zu unterziehen. Im übrigen sind die Beispiele auch ein Argument gegen die Todesstrafe, deren Unwider- ruflichkeit die Korrektur von Irrtümern, die noch zu Lebzeiten des Verurteilten erkannt werden, unmöglich macht. Die irdische Gerechtigkeit ist jedenfalls auch im Fall kirchlicher Instanzen nicht mit der endgültigen göttlichen identisch.

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