Österlicher Zusammenhalt

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Zusammenhalt ist in Krisenzeiten wichtiger denn je.

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Zusammenhalt ist in Krisenzeiten wichtiger denn je.

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Sich in Schutzräumen verbarrikadieren? Zu den Waffen greifen? Oder sich vom Acker machen? Vor diesen Möglichkeiten stehen die Jüngerinnen und Jünger nach dem Tod Jesu. Die beiden, die sich nach Emmaus aufmachen, entscheiden sich fürs Weggehen. Michel de Certeau nennt sie „die beiden Verletzten“, denn der Tod Jesu hinterlässt eine tiefe Wunde. Die Gewaltsamkeit, die vom Kreuz ausgeht, greift auf sie zu. Sie ist nicht auf Jesus beschränkt, sondern verletzt die Jüngerinnen und Jünger persönlich. Und sie trifft ihre Gemeinschaft, die zu zerbrechen beginnt.

In einer Situation der Krise, in der alle ihre Verwundbarkeit schmerzlich spüren, ist der Zusammenhalt besonders wichtig. Zusammenhalt gibt Halt in drohender Haltlosigkeit. Zugleich ist dieser Zusammenhalt besonders in Gefahr, wo Krisen sich in Unsicherheit und Zukunftsangst bemerkbar machen. Das ist heute noch genauso wie damals, als die Zwei Jerusalem verlassen. Erst die Begegnung mit dem Auferstandenen befähigt sie, dem Zerbrechen der Gemeinschaft zu widerstehen und sich für den Zusammenhalt zu entscheiden.

Dieser Zusammenhalt hat etwas Besonderes. Er braucht keine ‚schielende Seele‘, wie Friedrich Nietzsche das nennt. Hier antworten Menschen, die verletzt werden und Ohnmacht erfahren, mit Ressentiment. Sie degradieren die Stärken der Anderen zu Schwächen, um selbst größer dazustehen. „Selbstkonstruktion durch Fremddenunziation“ (Rainer Bucher) neigt zur Gewalt, wie der aktuelle Rechtspopulismus zeigt. Der Zusammenhalt der jungen Kirche entsteht hingegen im Widerstand zur Gewalt, insbesondere der eigenen. Er erschafft eine Gemeinschaft, die nicht vom Ausschluss der Anderen lebt, sondern in Gesten der Zuwendung, im Mut zur Auseinandersetzung und im Wagnis des Neuen. Österlicher Zusammenhalt.

Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg.

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