6782647-1969_50_02.jpg
Digital In Arbeit

Scheidung auf italienisch?

Werbung
Werbung
Werbung

Scheidung auf italienisch: dies war bisher nur der Titel eines Hirnes von makabrem Humor. Italien erlaubte zwar die Trennung von Tisch und Bett, das heißt, es erlaubte die Scheidung, aber nicht die Trennung der Ehe, und damit war auch jede Wiederverheiratung unmöglich gemacht. Nun aber beschloß das italienische Parlament ein Scheidungsgesetz. 325 Abgeordnete stimmten für das Gesetz, 283 dagegen. Die Jasager setzten sich aus Liberalen, Sozialdemokraten, Republikanern und Kommunisten zusammen, die Neinsaiger kamen aus den Reihen der Christlich-Demokraten, der Faschisten und Monarchisten. Aber die Neinsager nehmen nicht ohne weiteres ihre Niederlage hin. Das Gesetz muß noch den Senat passieren, und es ist bekannt, daß der Senat oft anders entscheidet als die erste Kammer. Aber selbst wenn das Gesetz auch den Senat passieren sollte, wollen die Neinsager noch nicht aufgeben und eine Volksabstimmung organisieren.

Alle Welt glaubt natürlich, daß es in erster Linie die katholische Kirche ist, die den Sturm gegen dieses Gesetz organisiert. Und sicherlich hat die katholische Kirche bis zum letz ten Augenblick alle Kräfte eingesetzt, um ein Zustandekommen dieses Gesetzes zu verhindern. Aber nicht sie allein wird bei einer Volksabstimmung der ausschlaggebende Faktor sein. Dies werden die italienischen Frauen sein. Denn die Mehrheit »der italienischen Frauen war immer und ist nach wie vor gegen die Scheidung. Auch im liberalsten Italien, das von der Existenz des Apostolischen Stuhles gar nicht Kenntnis nahm, gingen alle Versuche, eine Scheidung zu legalisieren, nicht durch. Und dies, obwohl lange Zeit in Italien die Frauen gar kein Stimmrecht hatten. Die italienischen Frauen, auch wenn sie gar nicht mehr gläubig sind, stehen in überwiegender Zahl auf dem Standpunkt, daß eine einmal geschlossene Ehe nicht mehr geschieden werden soll. „La mamma“ will nicht ihre Kinder verlieren und will keinen Wirrwarr, der unweigerlich durch geschiedene Ehen verursacht wird. Und so wird es wahrscheinlich noch lange Zeit keine Scheidung auf italienisch geben. Nicht nur, weil es die Kirche nicht will, sondern vor allem, weil es die Frauen nicht wollen. Wieder einmal bewahrheitet sich das alte Wort „cherchez la femme“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung