Die Behauptung, das Atomkraftmuseum Zwentendorf rentiere sich nicht, ist falsch. Zumindest die Papier- und Klebstoff Industrie verzeichnet seit Zwentendorf einen ungeahnten Aufschwung.
Die Atomenergie hat eine Kettenreaktion von Pickerln ausgelöst. Das Pickerl ist das Plakat von morgen. Noch jemand ohne Pickerl? Sag mir, welches Pickerl du hast, und ich sage dir. wer du bist.
Voraussetzung für die Pickerl-Welle war, aller Energie-Einsparung zum Trotz, die Vollmotorisierung der Nation. Denn es hilft alles nichts, erst das Auto macht das Pickerl zur Botschaft. Pik-kerln auf Laternenpfählen, Schultaschen und Gartenmauern
werden nicht ernstgenommen. Das ist bloße Pickerl-Kleckserei.
Aber ein ordentlicher Straßenkreuzer mit „Atomkraft, nein danke", das hat schon Gewicht. Da weiß einer, wogegen er demonstriert, da wirft sich einer mit Vehemenz in den politischen Tageskampf.
Die Psychologen, welche mit einigem Aufwand heutzutage sogar die Inschriften von Pissoirwänden analysieren, haben es sträflicherweise unterlassen, die Pikkerl-Motivation näher zu untersuchen. Als Am"ateur mutmaße ich, daß es sich um eine massenhafte Profilierungs-neurose, ausgelöst durch die Anonymität von Autonummern und Automarken, handelt.
Mehr noch: Möglicherweise löst das Pickerl eines Tages die Automarke als Statussymbol ab. Der eintönige Protz von Chrom und Lack ist ohnehin schon fade. Pickerl sind außerdem billiger.
pflegeleichter, austauschbar. Und, wer weiß, am Ende erzielen Autos mit besonders originellen, rarer^Pickerln eines Tages Liebhaberpreise wie die Oldtimer!
Solchen Träumen nachhängend, schlendere ich über die Parkplätze, und die Kraftfahrzeuge tun sich mir auf wie ein Lesebuch.
Man unterscheide: Parteipikkerl, Uberpartei-Politpickerl,, Ortspickerl, Firmenpickerl, Droh- und Fluchpickerl, Umweltpickerl, bloße Kommunikationspickerl, sogar Religionspikkerl.
Die politischen Parteien haben zur Pickerl-Szene wertvolle Beiträge geleistet. Derzeit sind ÖVP-Pickerln gegen die Sparbuchsteuer und die Urlaubsgeld-Besteuerung im Schwange.
Wer sie aufpickt, der bekennt sich wenigstens zu einem satten Sparkonto und einem Einkommen über 35.000 S monatlich, was neugierigen oder sonstwie tatendurstigen Mitmenschen immerbin kein schlechter Fingerzeig wäre. !
Detail am Rande: Mir imponiert, daß die Bademaid am ÖVP-Urlaubspickerl ein aufgeschlagenes Buch neben sich liegen hat.
Sie liest freilich nicht darin. Ein Buch gehört eben bloß dazu.
Der SPÖ ist, trotz mancher Kreationen, seit „Kreisky — wer sonst?" nichts Besseres eingefallen. Weshalb besagtes Streifenpickerl auch ein Longpickerl ist.
Die gelbe Atömgegner-Sonne ist natürlich ein absoluter Hit. In Verbindung mit einiger Grün-und Umweltbotschaft macht das Pickerl-Autos auf einsamen Waldwegen besonders erfreulich.
Doch damit nicht genug! Pikkerl mit zungenbrecherischen, eineinhalb Meter langen Flüchen beweisen Mut am Heckfenster. Gar mancher tut hier körperliche und seelische Befindlichkeit kund: Anfänger, Schläfer am Steuer. Schürzenjäger. Quartalsäufer.
Der Ubergang zur puren Kommunikation ist fließend. Unsere Freunde und Helfer werden angesprochen, die Uberholer, die Beifahrer.
Das Pickerl „Du sollst nicht töten!" hat mir besonders gefallen. Es war selbstgemacht. Die besten Ideen sind leider nicht im Handel.
