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Wir Pickerlpicker

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Pick As, Herr Verkehrsminister! Wenn ein österreichischer Autofahrer, der fallweise auch die Schweizer Autobahn benützt, auf Austrias Highways weiterfahren will, hat er künftig schon vier Pflichtpickerln auf seinem Fahrzeug. Wenn aber zum Nationalitäten- und Sicherheits-Überprüfungspickerl noch die Erin-nerungs- und Renommierpickerln kommen, welche da künden vom Aufenthalt in Taormina, der Passage des Armelkanaltunnels, der Weinlese in Südtirol und der Grazer Wechselseitigen Versicherung, ganz abgesehen von der Liebeserklärung an den Heimatort und einem höflichen Verhaltenshinweis auf nachkommende Autofahrer, dann gleicht das Auto rundum bepickerlt den Reisekoffern von einst mit den Hoteletiketten der großen Welt.

Der Zeitpunkt der neuen Pickerl-einführung ist gut gewählt. Rund zwei Jahre nach Abschaffung der letzten Pickerei (der Auto-Steuermarken) und zum Urlaubsgeld-Termin. Da müssen die 390 Schilling schon drin sein.

Wir werden auch die neun Schwangerschaftsmonate bis zur Geburt des neuen Pickerls gesund überstehen und unser seelisches Gleichgewicht nicht durch Spar-Diskus-sionen stören. Vielmehr geht es in diesen Monaten um die künstlerische Gestaltung des Autobahn-Pickerls. Als unerläßliche Motive bieten sich das Autobahnband, der Bundesadler, der Pleitegeier und ein niedliches, als Sparpaket leicht entfremdetes Packerl an. Meister Hundertwasser hat einst bei den neuen Nummerntafeln schon die ganze Nation in einer Design-Diskussion entzweit. Mittlerweile ist das Kultur- und Gestaltungsbewußtsein Österreichs ebenso weiter fortgeschritten wie die Anzahl der bildenden Künstler. Es wird also an Vorschlägen und Entwürfen nicht mangeln. Vielleicht entschließt sich sogar die Unterrichtsverwaltung zu einem Wettbewerb sämtlicher Schulklassen, falls das die über zusätzliche Belastungen frustrierten Lehrer nicht boykottieren. Es handelt sich schließlich um eine Angelegenheit von nationalem Design-Prestige, denn österreichische Fahrzeuge mit Autobahn-pickerln werden auch ins Ausland fahren und müssen dort vor dem kritischen Auge kundiger Fremder das Heimatland repräsentieren.

Da die Autohersteiler derzeit vielfach die Einführung von Drei-Liter-Kleinwagen planen, wird der Platz für das Pickerl natürlich eng. Bedenkt man, daß die Kontrolle der Autobahnen, auf denen die Flitzer jetzt schon mit bis zu 200 Stundenkilometern da-hinbrausen, sehr schwierig ist, so stellt sich ein Überwachungsproblem. Wer verfolgt die Autobahn-Schwarzfahrer, die den wertvollen Autobahnbelag ohne Pickerl ruinieren? Wird es ambulante Pickerl-Stationen geben, die Straf-Pickerl zum dreifachen Preis anbieten? Und wird die Kontrolle ei-, ne arbeitsplatzschaffende Aufgabe für die im Zuge der EU freigewordenen Zollbeamten?

Der Finanzminister sollte sich auch nicht die Ausgabe von Wunsch-Pickerln entgehen lassen, die analog zum Wunsch-Kennzeichen MäUSI, Opa oder PlX)p aufgedruckt haben und entsprechend teurer sind.

Für die des Österreichischen unkundigen Ausländer, die ja das Pickerl auch berappen müssen, die aber jetzt schon unsere Worte Schlagobers, Erdäpfel und Paradeiser nicht verstehen, ist ein Glossar vorzusehen. Was in der Schweiz allgemeinverständlich Vignette heißt, ist also hierzulande das Pickerl. Vom Gesetzgeber erwarten wir, daß er der amtlichen Bezeichnung „Vignette der Republik Österreich zur Erlaubnis der Benützung von Kraftfahrzeugen auf der Autobahn” zumindest in Klammer hinzufügt „sogenanntes Pickerl”. Irgendwie ist das Wort ja so lieb und sympathisch, daß es die damit verbundene Schröpfung fast vergessen läßt.

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