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Das Pickerl-Desaster

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Ihre gehörige Tracht Medienprügel haben sie schon bekommen, die Minister und Beamten und die Mautgesellschafter und wer halt so alles unschuldig ist an dem Vignetten-Desaster für die österreichischen Autobahnen. Mittlerweile kommt allmählich Schwung in den Handel - und auf ein paar Wochen kommt es schließlich nicht an. Auch nicht auf die paar Millionen, die dem Fiskus entgangen sind, weil die Feiertags-Touristen ohne Pickerl heimgefahren sind. Wir haben dafür eine gute Nachrede. Oder ist das vielleicht keine originelle Fremdenverkehrswerbung, wenn die Leute im Sommer wiederkommen, um sich die Strafe refundieren zu lassen?

Zum Unterschied von den Vignetten-Verantwortlichen zeigen wir von der furche (genauer: ich, Adam Tintinger) jedoch herbe Zerknirschung. Wir haben unsere Leser in die Irre geführt. Im Spätfrühling 1996 stand an dieser Stelle zu lesen, daß das Pickerl für PKW 390 Schilling kosten wird. Eine Ausrede haben wir schon. Wir haben uns damals an die Aussagen der Politiker gehalten und nicht bedacht, daß nicht nur öffentliche Bauten am Ende immer teurer sind als im Voranschlag. Wir haben uns um 41 Prozent verrechnet. Das entspricht so ungefähr der Größenordnung von Überschreitungen. Bitte vielmals um gütige Entschuldigung.

Wir haben uns aber auch sonst sehr getäuscht. Damals, als die Pickerl-Debatte begann, da meinten wir, daß nun eine heiße Diskussion um die graphische Gestaltung ausbrechen würde. Mindestens der Meister Hundertwasser würde da - wie einst bei den Nummerntafeln—seine Entwürfe liefern. Die Medien würden sie propagieren, erbitterte Leserbriefe pro und kontra würden erscheinen. Die ganze Külturprominenz würde schließlich aufgeboten, von Frohner bis Oberhu-ber. Gewichtige Juroren würden sich den Kopf zerbrechen. Der Babl käme fernsehmäßig über das Thema zur Sache. Ein Preis für die Vignettengestaltung von mindestens 100.000

Schilling würde ausgeschrieben. Schulklassen könnten und würden sich beteiligen. Kurzum, eine Angelegenheit von national-künstlerischem Prestige würde bis auf die Ebene der Hausbesorger leidenschaftlich abgehandelt.

Denn schließlich ist unser Autobahn-Pickerl ja eine Visitenkarte auch im Ausland, so wie die Briefmarken und die Banknoten. Und schließlich sind wir ein ästhetisch begabtes Volk. Mittlerweile hat sogar der Hausgraphiker unserer Nationalbank den Wettbewerb für die Gestaltung der neuen EURO-Geldscheine gewonnen. Wer über so viel Talente verfügt und sie nur aufzurufen braucht, wird doch noch ein schönes und interessantes Pickerl zustande bringen. Bei der hohen Auflage spielen die Entwurfkosten bloß eine marginale Bolle. Besonders wenn wir bedenken, wieviel Geld wir sonst für Expertisen und Entwürfe aufwenden, die in den Laden vergammeln.

Wir haben uns, wie gesagt, getäuscht. Nichts von Entwurf, Wettbewerb, Diskussion oder gar Kunst! Verständlich, die Begierung hat andere und wichtigere Sorgen, Ladenschluß, Bankverkauf, Sparpaket. Im Hinblick auf letzteres auch besser keine unnötigen Ausgaben. Sonst stürzt noch die Gehaltspyramide der Politiker ein.

Und so druckten und prägten sie denn die Vignette im fernen Amerika in österreichischer Qualität. Einfallslos und von betörender Schlichtheit, eine wahre Visitenkarte des Autobahn-Amtsschimmels. Jedes Werbe-pickerl einer mittleren Spielwarenhandlung ist ein Prachtexemplar an sogenannter Corporate Identity dagegen! Jedes Firmenlogo auf einer Plastiktasche ist im Vergleich dazu ein Design-Kunstwerk!

Eine kleine, hübsche Zierde auf der Windschutzscheibe hätte es werden können, unser Autobahnpickerl! Jetzt aber besteht die Gefahr, daß Fremde das für das Mitglieds-Signet eines Amateur-Kegelklubs halten. Lieben werden es nur die Kontrollore. Für die ist es allerdings schön genug.

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