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Höchste Zeit zum Handeln

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Viel Prominenz in Wiener Gemeindebauten hat die FURCHE (47/1984) aufgespürt. Das Echo übertraf die Erwartungen. Als erste Partei bezieht die ÖVP nun Stellung.

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Viel Prominenz in Wiener Gemeindebauten hat die FURCHE (47/1984) aufgespürt. Das Echo übertraf die Erwartungen. Als erste Partei bezieht die ÖVP nun Stellung.

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„Das ist mehr als ein Skandal", erklärte der Wohnbausprecher der Wiener Volkspartei, Wolfgang Petrik, gegenüber der FURCHE, „wenn hochbezahlte Polit-funktionäre, sogar Mitglieder der Stadtregierung eine Gemeindewohnung bewohnen und gleichzeitig 13.000 Wienerinnen und Wiener für eine solche Sozialwohnung vorgemerkt sind."

Der ÖVP-Gemeinderat ist zwar davon überzeugt, daß die heute gut verdienenden Mandatare ihre Gemeindewohnung zu einem Zeitpunkt bezogen haben, an dem sie den Vergaberichtlinien entsprochen haben. Petrik: „Sollte es anders sein — und das kann ja eine Kommission der Stadtverwaltung jederzeit feststellen —, dann müßten auch politische Konsequenzen gezogen werden."

Petrik verkennt nicht die historische Entwicklung und den Umstand, daß einige sozialistische Mandatare eine Art „Gemeindebauromantik" betreiben.

Petrik: „Viele sind selbst im Milieu des Gemeindebaus aufgewachsen. Sie können sich ihr gesellschaftliches Leben außerhalb einer solchen Wohnhausanlage gar nicht vorstellen. Sie wollen mit ihren Genossen leben und fürchten Kritik der Wähler, wenn sie ausziehen."

Petrik verweist darauf, daß die Wiener Sozialdemokraten dieses Problem in der Zwischenkriegszeit eleganter gelöst haben. Auch damals zählten Gemeinderäte und Stadträte nicht zu den Ärmsten. Aber sie wohnten damals entweder im Arbeiterheim, in unmittelbarer Nähe ihrer Wähler und Mitarbeiter, oder sie benutzten die sogenannten „Bonzen"-Wohnungen. Das waren größere Wohneinheiten, die in die größeren Gemeindebauten von vornherein eingeplant wurden.

Was soll nun geschehen? ÖVP-Gemeinderat Petrik schlägt vor, daß politische Mandatare ihre Gemeindewohnung entweder aufgeben oder aber, wenn sie weiter drinnen bleiben wollen, diese Wohnungen käuflich erwerben. Petrik: „Das ist keine soziale Härte. Die können sich das sicher leisten."

Darüber hinaus regt Petrik an, daß ein jeder, der ein politisches Mandat anstrebt, sich verpflichtet, nach seiner Wahl binnen einer festzulegenden Frist auf seine Gemeindewohnung zu verzichten.

Grundsätzlich kann sich der VP-Wohnbauexperte eine generelle Änderung der Bestimmungen über die Vergabe von Gemeindewohnungen vorstellen. Etwa in der Form, daß in regelmäßigen Abständen die Einkommensverhältnisse aller Gemeindemieter einer Uberprüfung unterzogen werden. Wer dann schon weit über den Einkommensgrenzen der Vergaberichtlinien liegt, sollte entweder ausziehen, einen marktgerechten Zins zahlen oder ebenfalls die Wohnung käuflich erwerben können.

Die zusätzlichen Einnahmen sollten, so Petrik, in eine Art Sozialfonds wandern und für jene Gemeindemieter bereitgestellt werden, die infolge einer sozialen Notlage etwa mit den Heizkosten ihrer Gememc^ewohnung nicht zurechtkommen.

Zum Bericht der FURCHE, daß auch einige ÖVP-Mandatare das Privileg einer Gemeindewohnung besitzen, meinte Petrik im FUR-CHE-Gespräch, daß Parteiobmann Erhard Busek die Genannten bereits vor einiger Zeit ersucht und angewiesen habe, ihre Gemeindewohnungen an die Stadt Wien zurückzugeben.

Petrik schließt sich auch der Forderung von Vizebürgermeister Busek an, daß die Stadtverwaltung eine Kommission einrichten möge, die klären soll, wie viele politische Funktionäre aus Bund und Land, wie viele Spitzenbeamte des Wiener Magistrats und wie viele Manager von gemeindeeigenen Betrieben tatsächlich eine Gemeindewohnung benutzen.

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