Corona und funktionierende Systeme: Es war selbstverständlich

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Über Selbstverständlichkeit in einem Ausnahmejahr.

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Über Selbstverständlichkeit in einem Ausnahmejahr.

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Nach Corona wird die Welt weder dem Paradies noch der Apokalypse ähneln. Aber einige „Wenden“, „Kurven“, „Sichtwechsel“ könnte es auf Dauer geben. Es galt als selbstverständlich, dass sich die Menschen – mit Technik und Wissen – über ihre Körperlichkeit hinwegsetzen könnten, zumal Beherrschbarkeitsfortschritte durch Biologie, Informatik und Medizintechnik gewährleistet schienen. Dann kommt das Sars-Biest, und wir merken, dass wir der nicht vollständig beherrschbaren Natur angehören und auf hinfällige Körper angewiesen sind. Es galt als selbstverständlich, dass die technischen Systeme funktionierten, dass die Gesundheitsversorgung, Bildungsinstitutionen und alle Notwendigkeiten verfügbar waren.

Dann treten wir ein in die Phase der Epidemie – und schätzen uns glücklich, dass die lebensnotwendigen Versorgungssysteme weiterhin funktioniert haben. Da hätte manches (mit üblen Folgen) zusammenbrechen können. Es galt als selbstverständlich, dass die Globalisierung voranschreiten werde, dass ein Weltmarkt entstehe mit gleichsam naturgesetzlich intensivierten Verflechtungen. Dann kommt das Virus, und wir reden über Autarkie, wenigstens bei manchen Gütern, über partielle Rücknahme globaler Arbeitsteilung, über die Vorzüge regionaler Produktion. Es galt als selbstverständlich, dass die Mobilität ein Kennzeichen der Moderne sei, dass die Welt zunehmend grenzenlos und dass der Tourismus mit dem globalen Wohlstand wachsen würde. Und nun ist alles anders: die Grenzen geschlossen, die Buchungen gestrichen, Weltdurchstreifung bis auf Weiteres suspendiert, Heimat im Aufstieg. Ein paar selbstverständliche Trends sind der Entselbstverständlichung ausgesetzt.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz.

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