Du und ich

Ich freue mich über die Initiative „Du + Ich = Österreich“, die alle Menschen in diesem Land sprichwörtlich „an einen Tisch bringen“ will. In allen Medien werden wir dazu aufgefordert, zu zeigen, „dass unterschiedliche Meinungen und Standpunkte normal sind und dass alle Seiten und Gegensätze Platz in Österreich haben, sofern sie sich auf dem Boden der Gesetze und der Verfassung bewegen“.

Gleichzeitig finden sich in Artikeln und Podcasts, die über und neben den Inseraten platziert sind, Aussagen, die diesem Anspruch nicht genügen – und in den Leserkommentaren Kraftausdrücke und Gewaltvokabeln, die ahnen lassen, wie schwer eine Versöhnung werden dürfte. Und wenn in Satire, Late-Night-Shows und Kabarett die eigene Auffassung künstlerisch überhöht und andere verächtlich gemacht werden, feiert die alte österreichische Tradition der Bildung unversöhnlicher Lager fröhliche Urständ!

Gerade als Jurist teile ich den Ansatz, dass Gesetz und Verfassung die entscheidenden Demarkationslinien einer Demokratie sind. Doch halt: Wurde nicht bis vor wenigen Wochen verspottet, wer das Gesetz als rote Linie bezeichnete? Und bestimmen nicht nach wie vor „Haltung“ und moralische Überlegenheit die politische Kommunikation?

Es ist in einer Demokratie wichtig, wenn Initiativen zur gesellschaftlichen und privaten Versöhnung bottom-up leben und gelebt werden – unverzichtbar ist aber auch, dass sie nicht top-down konterkariert werden. Um es ebenfalls sprichwörtlich anzudeuten: Das Verhältnis von „Fisch und Kopf“ ist aussagekräftig! Die parlamentarischen und medialen Auseinandersetzungen um die Impfpflicht und im Untersuchungsausschuss werden zeigen, ob ein positives Zusammenleben über Auffassungsunterschiede hinweg gewünscht ist und gelingen kann! Lassen wir die gut gemeinte Initiative nicht ins Leere laufen!

Der Autor ist Professor für Arbeitsund Sozialrecht und Leiter des Instituts für Familienforschung.