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Krise ohne Ausweg?

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Wer in der Geschichte dieser Stadt Wien blättert, findet kurze glorreiche Zeiten, lange erträgliche Perioden des Fortwurstelns und Jahre, wo der Kummer still erduldet wurde. Die letzte glorreiche Spanne war von 1920-33: Der Aufbruch zu sozialen Reformen mit den steinernen Zeugen der alten Gemeindebauten. Seither wurde die Millionenstadt von keiner zündenden Idee mehr ergriffen.

Der Wiederaufoau nach dem Zweiten Weltkrieg - gewiß eine Leistung - erfolgte nach veralteten Mustern. Die Kraft, in den Luftschutzkellern eine neue Stadt zu planen, wie das in London und Warschau geschah, fehlte hier. Aufrufe zum Umdenken wurden schon in den fünfziger Jahren in Wien von jungen, informierten Gruppen verfaßt, fanden aber bei den Machtträgern kein Echo. Mahner wurden als Querulanten abgetan.

Vielmehr wurde jahrzehntelang drauflosgebaut, entlang Luegers Leitungsnetz und im Ruhmešschatten des längst verstorbenen Seitz. Die Emmentaler-Häuser wurden erfunden, das Straßenbahnnetz gekürzt, die Radwege aufgelassen. Pyramidenbau statt humaner Stadtentwicklung!

Nach 1970 verdichtete sich das stets vorhandene Gemecker und Geraunze langsam zu einem noch unklaren Kri sengefühl. Diese Stadt war nicht krank, aber in ihrer Führung und Verwaltung zeigten sich schwere Mängel. Vom Hafen bis zum AKH, von der geborstenen Brücke bis zur unerwünschten Stadtautobahn öffnete sich den Bewohnern ein Abgrund an Unfähigkeit; Korruption, Nichtverantwortung und Hochmut.

Aber wo sind Ausweg, Konzepte, Fortschritt? Wer kennt die intellektuellen Zirkel, die Problemlösungen ersinnen? Wieviele engagierte Gruppen gibt es, die Wien zu einer lebenswerten Stadt machen wollen? Können sich die traditionellen Parteien hier überhaupt noch erneuern? Auf welche Schichten kann sich eine Reform stützen?

Sind ghettoartige Kleingruppen, von Rotstilzchen bis zu den grünen Zwergen, mehr als Humusbakterien, die den Boden lockern? Können machtlose Bürgerinitiativen Bezirke sichtbar verändern? Bedeuten Stadt- und Beiselfe- ste mehr als ein Aufwallen in verdorrten Randgebieten? Werden die sechs oder sieben neugegründeten Miniparteien auch nur ein Hunderi hinter dem Ofen hervorlocken?

Wo sind tausend aufrechte, selbstbewußte Wiener? Gibt es sie? Worauf warten sie?

Auszug aus „Nachrichten der Aktion besseres Wien” 1/81

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