6864253-1977_48_11.jpg
Digital In Arbeit

Kunstobjekt Schießscheibe

Werbung
Werbung
Werbung

Wer mit offenen Augen die Alpenorte durchstreift, stößt immer wieder auf bemalte hölzerne Scheiben verschiedener Größe, die Giebel, Häuserwände und Scheunen, Bauern- und Gasthofstuben zieren. Es sind Zielscheiben, die sich, mit dem im 15. Jahrhundert aufgekommenen Büchsenschießen, welches das Armbrustschießen zu verdrängen begann, bei Wettschießen immer größter Beliebtheit erfreuten und in den Alpenländern bald zu einer eigenen Sparte der Volkskunst und Volkskultur entwik- kelten. Zuerst dürften diese vorwiegend runden Scheiben, auf die man zielte, einfache Faßböden gewesen sein, die mit einem schwarzen Mittelpunkt markiert und mit Linien und konzentrischen Kreisen unterteilt wurden. Bald begann man diese Scheiben zu bemalen und zu beschriften. Die Anlässe, eine Schießscheibe zu stiften, wurden von Jahr zu Jahr zahlreicher, war doch die Würde eines Schützenkönigs gesellschaftlich höchst erstrebenswert.

Die Themen der Scheibenbilder reichen von Hochzeiten, Geburten, Jagden, Schützenfesten, Schlachten, Kriegen, Erntedankfesten, Fahnenweihen und Naturkatastrophen über allegorische Darstellungen, Kalender und Monatsbilder, Tierbilder, Zunftzeichen, Arbeitsgeräte, Städteansichten und Heiligendarstellungen bis zu volkstümlichen Szenen aus dem täglichen Leben. Oft sind sie auch noch mit einem passenden Spruch versehen; so trägt beispielsweise eine Hochzeitsscheibe aus Kufstein (1880) folgenden Ausspruch: „Schützen, last’s die Stutzen nit fasten, dann werden auch die Wiegen nit rasten.“ t Während die Schützen- und Figurenscheiben der Barock- und Rokokozeit künstlerische Kostbarkeiten sind, ausgeführt von begabten doch anonym gebliebenen Künstlern, und in der Romantik um die Jahrhundertwende noch immer reizvoll waren, beginnt sich ihre Ausstattung später merklich zu verflachen.

Schießscheiben sind nicht selten Dokumente für die Geschichte eines Landes, eines’Ortes oder mancher Familien. Daß Schützenfeste, Schützenwettkämpfe und das ganze Schützenwesen bis heute kaum etwas von ih re r Anziehungs kraft ve rloren ha ben, bezeugen die vielen noch existierenden und überaus mitgliederstarken Schützenvereine, Organisationen und Gilden. Über die Vielfalt und Buntheit der jahrhundertealten, traditionellen Schießbildscheiben aus Österreich, Deutschland, Südtirol und der Schweiz informiert ausgiebig der kürzlich im Rosenheimer Verlagshaus erschienene, reich illustrierte Band von Alfred Förg.

SCHIESS-SCHEIBEN, Volkskunst in Jahrhunderten. Von Alfred Förg, Vorwort von Dr. Franz J. Griesenho- fer, Wien. Rosenheimer Verlagshaus, Rosenheim 1976. 256 Seiten mit 70 mehrfarbigen und 400 einfarbigen Reproduktionen von Schießscheiben, öS 614,50.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung