7127801-1997_12_05.jpg
Digital In Arbeit

Leben wie nach einem Plan

Werbung
Werbung
Werbung

Früher stellte sich ein junger Mensch, wenn er - wie man so sagte - ins Leben eintrat, eine Aufgabe. Er hatte Wünsche, Träume, vielleicht sogar ein hohes Ziel. Das Scheitern und Versagen war, als Möglichkeit jedenfalls, dabei eingeschlossen.

Heute dagegen macht er eine „Lebensplanung”. Darin sind wie bei einem Kosten voranschlag die Stufen der Karriere samt dem erwarteten Einkommen, die Abenteuer und Erlebnisse verzeichnet. Fluchtpunkt aller Lebensplanung ist nicht etwa der Tod, sondern die Pension, in der alles kulminiert.

Das Vokabel „Lebensplanung” stammt aus dem Wörterbuch der Sozialversicherungsbürokraten. Zusammen mit dem korrespondierenden Begriff der „wohlerworbenen Rechte” dient es dazu, jeden Versuch, an den einmal errungenen sozialen Besitzständen etwas zu ändern, als unerträgliche Zumutung zurückzuweisen. Auch offenkundige Privilegien hat ihr Nutznießer ja in seine Lebensplanung eingebaut.

Wer nur früh genug die Frühpension angepeilt und schließlich erreicht hat, muß darauf vertrauen können, daß er gleich danach die geplante Weltreise antreten kann.

Neuerdings haben sich die Politiker des Wortes Lebensplanung bemächtigt. Sie verwenden es gern, wenn sie einen neuen Posten angeboten bekommen. Sie möchten uns damit weismachen, sie würden ein besonders großes Opfer bringen, wenn sie den Job annehmen.

So teilte uns Viktor Klima mit, er habe sich eigentlich darauf eingestellt, nicht mehr allzu lange zu arbeiten und sich dann mit Sonja und Hund in ein nettes Häuschen am Land zurückzuziehen und dort einen trauten Lebensabend zu verbringen. Aber als ihm dann der Posten des Bundeskanzlers und des SPÖ-Parteivorsitzenden angetragen worden ist, habe er doch seine Lebensplanung geändert.

EU-Kommissar Franz Fischler ließ uns gar wissen, die Funktion des Bundespräsidenten sei in seiner Lebensplanung nicht enthalten. Wie wir aber von Franz Vranitzky wissen, kann einen Politiker ja nichts daran hindern, klüger zu werden, wenn es um einen guten Posten geht.

Ex-Ministerin Johanna Dohnal sieht überhaupt faschistoide Tendenzen heraufdämmern, weil den Frauen angeblich die Wahlfreiheit in der Ijebensplanung beschränkt werde.

Nur einer verriet uns, daß er überhaupt keine Lebensplanung habe, denn er könne ja nicht wissen, ob er noch lange kreativ und leistungsfällig sein werde: Claus Peymann. Er muß deshalb scrton fast als verantwortungsloser Mensch gelten. Oder er weiß vielleicht besser als die anderen um die Anfechtungen und Gefährdungen des Jjebens.

Es könnte ja sein, daß einer vor lauter Planung seines Lebens sein Leben verpaßt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung