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LUKIAN

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Ein Redakteur von der Wiener Rathauskorrespondenz (bricht in den Urlaubsfrieden eines Wiener Stadtrates ein, ruft in dessen italienischem Urlaubsort an, laßt ihn sich zum Apparat holen): „Herr Stadtrat, entschuldigen die Störung, aber es liegen halt schon wieder ein paar kleine Unannehmlichkeiten vor..

Der Stadtrat (mit einem besorgten Unterton in der Stimme): „Ist die Nordbrücke eingestürzt?“

Der Redakteur: „Das nicht, aber…“ Der Stadtrat (unterbricht den Redakteur): „Hat die Praterbrücke wegen Baufälligkeit gesperrt werden müssen? Ich habe es kommen gesehen!“ Der Redakteur: „So schlimm ist es nicht. Es ist nur in Liesing in einem Einfamilienhaus Sickergas explodiert, und in der Nachbarschaft haben alle Gasgeräte abgesperrt werden müssen. Jetzt macht die Presse ein Höllenspektakel wegen der brüchigen Wiener Gas leitungen, und ich werde mit Anfragen bombardiert, woher wir zehn Milliarden Schilling zur Sanierung der Wiener Gasleitungen nehmen werden.“

Der Stadtrat: „Wegen zehn Milliarden solcher Lärm? Was sind denn schon zehn Milliarden angesichts unserer Planungen? Ein Pappenstiel. Die Leute sollten endlich lernen, in welt- städtischen Dimensionen zu denken, erst gestern haben wir beim Canasta die Möglichkeit erörtert, alle Bauten der Großfeldsiedlung um zehn Geschosse aufzustocken, wir müssen nur erst klären, ob die Fundamente genügend stark sind.“

Der Redakteur: „Was soll ich sagen, wenn wegen der zehn Milliarden für die Sanierung der Wiener Gasleitungen angefragt wird?“

Der Stadtrat: „Diese ewige Kleinka- riertheit! Zehn Milliarden für die UNO-City, zehn Milliarden für die zweite Donau, zehn Milliarden für eine moderne U-Bahn, zehn Milliarden für ein paar neue Brucken, na, und jetzt halt auch noch zehn Milliarden für neue Gasrohre. Denken die Leut’ denn nicht an die wirtschaftlichen Impulse, die das gibt?“

Der Redakteur: „Ja, haben wir denn die zehn Milliarden für neue Gasleitungen?“

Der Stadtrat: „Natürlich nicht!“

Der Redakteur: „Herr Stadtrat, entschuldigen Sie die Frage - aber was soll ich sagen, wenn gefragt wird, was g’schiebt, wenn es woanders noch heftiger kracht?“

Der Stadtrat: „Jetzt schlägt’s aber 13, werden Sie mit den Aasgeiern von der bürgerlichen Presse denn nicht allein fertig? Sagen Sie den Herren in aller Deutlichkeit, daß die Wiener Gasleitungen tipptopp wären, wenn nicht die ununterbrochenen Erschütterungen wären, welche die verantwortungslosen Egoisten mit ihren Autos verursachen! Ich hoffe, das ist alles.“

Der Redakteur: „Noch nicht aufle- gen, Herr Stadtrat, bitte, da wäre noch etwas! Ich werde von allen Seiten sekkiert, weit keine Autobusse über die Nordbrücke verkehren und die Leute mit der Straßenbahn und mit der Schnellbahn riesige Umwege machen müssen!“

Der Stadtrat: „Ist das ein Problem? Heute fährt doch ohnehin jeder Hausmeister mit dem Auto!“

Der Redakteur: „Angeblich gibt es m Floridsdorf noch ein paar tausend Leute ohne Auto, und die wissen nicht, wie sie jetzt in die Stadt kommen sollen. Die Zeitungen fragen mich ständig, warum wir keine Autobusse über die Nordbrücke fahren lassen!“

Der Stadtrat: „Auch daran ist der unsoziale und widervemünftige Individualverkehr schuld. Stellen Sie eindeutig klar, daß wir die Autobusse deshalb nicht fahren lassen können, weil sie in der Lawine der Privatautos stek- kenbleiben.“

Der Redakteur: „Momenterl, Momenterl, ein Journalist hat angefragt, wie die Leute auf den Massenverkehr umsteigen sollen, wenn es dort keinen gibt, wo er am notwendigsten wäre!“

Der Stadtrat: „Das ist eine Infamie, das ist eine unverschämte Unterstellung der Opposition, angesichts der Tatsache, daß wir U-Bahnen und neue Brücken planen, die schon in den achtziger Jahren feierlich dem Verkehr übergeben werden sollen. So. Und rufen Sie meinen Sekretär an. Er soll Dampf dahintersetzen, daß mein neuer Dienstwagen bereitsteht, wenn ich wieder in Wien bin!“

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