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PIUS MICHAEL PRUTSCHER / AUFWERTUNG DER KOMMUNALPOLITIK

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Es ist gar nicht einfach, den eben ernannten Leiter der Verwaltungsgruppe X des Wiener Magistrats, Stadtrat Diplomkaufmann DDr. Pius Michael P rutschen, zu sprechen. „Einen Herrn Stadtrat dieses Namens haben wir hier nicht”, bedauert treuherzig-höflich die freundliche ‘Stimme in der Telephonzentrale des Wiener Rathauses. Stadtrat Prutscher mußte lachen, als er von dieser kleinen Begebenheit erfuhr: „Sie wird mich schon noch kennenlernen.”

Eigener Meisterbetrieb, Tischlerinnung und Wiener Rathaus: Drei Eckpunkte eines Dreiecks, das — optisch gesehen — etwa der Arbeitsteilung Stadtrat Prut- schers entspricht. Prutscher, am 27. April 1913 als Sohn des Architekten und Tischlermeisters Hans Prutscher in Wien geboren, besuchte in seiner Heimatstadt die Volksschule und das Realgymnasium. Nach der Reifeprüfung, abgelegt 1931, inskribierte Prutscher an der Hochschule für Welthandel und an der juridischen Fakultät der Wiener Universität. In der vorgeschriebenen Zeit waren beide Studiengänge absolviert, und der 1936 zum Doktor iuris, 1937 zum Doktor der Handelswissenschaften promovierte Diplomkaufmann — der neben dem Studium auch noch Zeit gefunden hatte, die Tischlerlehre zu absolvieren — legte die Gesellenprüfung ab, ergänzt 1940 durch die Meisterprüfung.

Neben der Tätigkeit in der väterlichen Werkstatt nutzte der junge akademisch gebildete Tischler jede Gelegenheit, sich fortzubilden. Der Krieg freilich unterbrach da manchen Plan, doch gelang es, den Betrieb sicher durch die Fährnisse der Kriegsjahre und Nachkriegsmonate zu steuern.

Bereits im Herbst 1945 wurde Prutscher zum provisorischen Leiter der Wiener Tischlerinnung gewählt und bei den ersten Wahlen auf diesem Posten bestätigt. Seit 1959 ist Stadtrat Prutscher Bundesinnungsmeister.

Den kleinen Betrieben eine Chance zu geben, lautete sein Programm: Dies geschah vor allem durch Gründung einer technischen Beratungsstelle, einer Werbegemeinschaft und einer Reihe von anderen Einrichtungen, um den kleinen Betrieben die nötige Unterstützung im Wettbewerb zu geben.

Der Schritt in die Politik erfolgte 1945. Am 25. November 1945 wurde DDr. Prutscher in den Gemeinderat gewählt und gehört seit damals dem Gemeinderatsausschuß VI an. Seit 1959 auch Mitglied der gemeinderätlichen Stadtplanungskommission, hat DDr. Prutscher wiederholt als Vertreter der Volkspartei an wichtigen Problemen mitgearbeitet, zum Beispiel 1955 an der Verkehrsenquete. DDr. Prutscher war Sprecher der ÖVP in Stadt- planungs- und Verkehrsangelegenheiten, Mitarbeiter am Verkehrskonzept und Erholungskonzept der ÖVP. Und nun der Wechsel auf den Sessel eines amtsführenden Stadtrates, dem die Verwaltungsgruppe X—„Wirtschaftsangelegenheiten” nennt sie der ehrwürdige österreichische Amtskalender — als Nachfolger des vor kurzem verstorbenen Stadtrates Bauer untersteht.

Eigener Betrieb, Bundesinnung, Stadtsenat: drei ziemlich differenzierte Aufgabengebiete. „Wenn ich bei einer wichtigen Frage zu keiner Lösung komme, dann beschäftige ich mich eben mit etwas anderem”, gibt Stadtrat Prutscher das Geheimnis seiner ökonomischen Arbeitsweise bekannt. „Und dann kommt die Lösung der ersten Frage fast immer ganz von selbst.”

Vom Mauerblümchendasein der Kommunalpolitik hält Stadtrat Prutscher wenig. „Mein Hobby — wenn Sie es so nennen wollen — ist die Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips, jenes Prinzips, nach dem zu handeln ich als Innungsmeister mich bemühe. Ich verstehe darunter das Trachten, schon in der kleinen Gemeinschaft jene Aufgaben,zu erfüllen, deren Leistung man nicht gerne dem Staat übertragen wissen will. Und dies läßt sich natürlich ebenso auf die Berufsorganisation wie auf das Kommunalsystem anwenden. Das falsch angewendete, das ,diabolisierte’ Subsidiaritätsprinzip allerdings ist gefährlich, führt es doch von der Kommunalisierung weg zur Ver- politisierung.”

Die Tage des alten Abgeordneten Bielohlawek in der Wiener Gemeindestube sind vorbei. Ein Stadtrat, der unversehens die Konjugation eines griechischen Verbs ins Gespräch einfließen läßt — der Typ des Kommunalpolitikers von heute. Stadtrat Prutscher ist Tischlermeister und Akademiker. Eine Kombination, sicherlich zum Besten der Stadt und der Bürger.

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