Wenn allj ährlich die Fastenzeit an die Versuchung Jesu und damit an den Teufel und die Engel erinnert, fragt man sich: Sind für den Christen von heute Engel und Teufel Realität?
„Nur acht von hundert befragten Italienern glauben im übrigen nach einer Umfrage der katholischen italienischen Zeitschrift ,Prospettive nel Mondo' (Perspektiven in der Welt) an den Schutzengel. 75 Prozent der Befragten hielten Engel für eine .theologische Erfindung' und 17 Prozent gar für .Gestalten des volkstümlichen Aberglaubens' ." Das meldete am 15. März 1989 die „Kathpress".
Haben die Engel im christlichen Glauben also ausgedient? Sind sie nur noch als Kunstobjekte interessant, womöglich in lieblicher barocker Kindergestalt? Was bedeutet ein euphemistischer Begriff wie „Engelmacherin" in unserem Wortschatz? Erwarten wir Engel als Touristen in Österreichs „himmlischer" Hauptstadt („Heut kommen d' Engerln auf Urlaub nach Wien")? Oder assoziieren wir mit diesem Wort zunächst TV-Serien wie „Drei Engel für Charlie" oder „Ein Engel auf Erden"?
Für die Theologen sind die Themen Engel und Teufel Randgebiete. Sie betonen zu Recht die Erlösung durch Christus als Zentrum des Glaubens, während der Glaube an gute und böse Geister nichts spezifisch Christliches ist, sondern sich auch in anderen Religionen findet. Aber viele schlichte Gläubige, besonders an „Privatoffenbarungen" interessierte, möchten von der Kirche mehr über Engel und Teufel und das Jenseits hören.
Diese „Marktlücke" haben einige erkannt, besonders das auf einer - von der Kirche'nie anerkannten - „Privatoffenbarung" fußende Opus Angelorum (OA). Es propagiert eine besondere Verehrung der Engel (von denen es in seinen theoretisch nur Mitgliedern zugänglichen Schriften rund 400 mit Namen, Eigenschaften und Aufgaben anführt), um im endzeitlichen Kampf mit den Dämonen (auch von diesen kann das OA etwa 200 genau beschreiben) bestehen zu können.
Das auf Visionen der Tirolerin Gabriele Bitterlich beruhende Engel werk, dessen Elite mit dem 1979 wiederbelebten Orden der Regularkanoniker vom Heiligen Kreuz identisch ist, wurde 1983 von der Glaubenskongregation in Rom ermahnt, sich an die Lehre der Kirche zu halten. Denn das OA geht nach Meinung von Theologen, vor allem in dem erst 1987 öffentlich bekannt gewordenen „Handbuch", weit über diese Lehre hinaus und wirkt sogar dem Volksaberglauben und Hexenwahn zugetan.
Bedenklich daran ist, daß das OA auf dem Weg ist, kirchliche Machtpositionen zu besetzen (geheim gehören ihm schon einige Kardinäle und etwa 50 Bischöfe an). Für das OA ist seine Lehre die einzig richtige, Kritiker daran sind nicht mehr „wirklich katholisch".
Daß sich auf der anderen Seite Personen öffentlich als Sata-nisten, Magier und „Hexen" deklarieren, daß gräßliche Praktiken bekannt werden, ist noch schlimmer und dient zudem dem OA als Rechtfertigung: Wenn sich Leute mit dem Bösen verbünden, müsse man im Gegenzug doch mit den Engeln einen Bund eingehen und die dämonischen „Strahlungen" durch „Kraftfelder" der Engel abwehren.
Es ist grotesk, aber auch verständlich, wenn in unserer vom Rationalismus beherrschten Zeit der Drang zum Esoterischen, Mystischen, Okkulten wieder zunimmt. Der verstorbene Regensburger Theologe Johann Auer, der zwei negative Gutachten über das OA verfaßte, lehnte diesen Drang mit dem auf das OA bezogenen, aber sicher allgemein gemeinten Satz ab: „Wenn aber diese .Privatoffenbarungen' unecht sind, was steckt dann dahinter für ein erschütternder Hochmut, der selbst über die geistige Schöpfung Gottes etwas wissen möchte, was Gott nicht geoffenbart hat!"