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„Der Schrift fremd"

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Was bleibt vom umstrittenen „Engelwerk", nachdem der Vatikan ein Dekret veröffentlicht hat, das dem Werk alles untersagt, was mit den „Offenbarungen" seiner Gründerin, der Tiroler Hausfrau Gabriele Bitterlich, zusammenhängt?

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Was bleibt vom umstrittenen „Engelwerk", nachdem der Vatikan ein Dekret veröffentlicht hat, das dem Werk alles untersagt, was mit den „Offenbarungen" seiner Gründerin, der Tiroler Hausfrau Gabriele Bitterlich, zusammenhängt?

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Die von Kardinal Joseph Ratzinger geleitete Glaubenskongregation in Rom verhängt in einem am 19. Juni publizierten Dekret mehrere klare Verbote über das „Opus Sanc-torum Angelorum" (OA). Papst Johannes Paul II. hat das mit 6. Juni datierte Papier genehmigt und seine Veröffentlichung angeordnet.

Das angeblich weltweit eine Million Mitglieder zählende OA war schon einmal überprüft und 1983 in drei Punkten ermahnt worden. Jetzt wirft die Glaubenskongregation dem OA vor, daß es die „früheren Entscheidungen nicht korrekt interpretiert und ausgeführt" habe. Rom sieht das damalige Urteil durch das Prüfen weiterer OA-Schriften bestätigt: „...die für das Engel werk typische Engellehre und gewisse daraus abgeleitete Praktiken sind der Heiligen Schrift und der Tradition der Kirche fremd und können daher nicht als Grundlage für Spiritualität und Tätigkeit von Vereinigungen dienen, die kirchlich approbiert sind".

Das Dokument schärft unmißverständlich ein: Die „aus den angeblichen Offenbarungen Gabriele Bitterlichs stammenden Theorien über die Welt der Engel" (deren Namen, Einteilungen, Funktionen) dürfen in keiner Weise gelehrt oder verwendet werden, der Gebrauch oder die Verbreitung von Schriften, die diese Theorien enthalten, sind verboten. Auch die verschiedenen Formen der „Engelweihe", die im Werk geübt werden, und liturgische Abweichungen (die sich auf die Bitterlich-Theorien beziehen) sind verboten. Exorzismen dürfen nur nach den kirchlichen Richtlinien durchgeführt werden.

Schließlich soll ein päpstlicher Delegat mit besonderen Vollmachten im Kontakt mit den Bischöfen „die Anwendung der oben angeführten Normen überprüfen" und die Beziehungen zwischen dem O A und dem Orden der Regularka-noniker vom Heiligen Kreuz (letzterer besteht praktisch nur aus OA-Mitgliedern) klären.

Die Kritiker des Engel Werkes, vor allem Kardinal Friedrich Wetter (München), Bischof Franz X. Eder (Passau), Bischof Reinhold Stecher (Innsbruck) und Weihbischof Heinrich von Soden-Frauenhofen (Freising), sind durch diesen Spruch voll bestätigt. Stecher hat das Dekret als „höchst notwendig" begrüßt, im Zusammenhang mit dem OA von „Angstreligion" gesprochen und allgemein zur Vorsicht gemahnt. Es gebe heute „eine gefährliche Anfälligkeit für Phänomene religiöser Sensation, deren Echtheit in jedem Fall höchst fragwürdig bleibt",

Das Engelwerk, dessen Existenz zwar nicht in Frage gestellt, dem aber die Grundlage seiner Entstehung entzogen wurde, steht nun in einer Zerreißprobe. OA-Presse-sprecher Franz Ritzinger meinte „als Privatmann, nicht offiziell" zur FURCHE, er sehe in dem Dekret nicht den vielzitierten „Todesstoß" für das Werk, könne sich aber vorstellen, daß einige Leute ihr Lebenswerk gefährdet sehen und in die innere Emigration gehen. Wie er die Struktur der Mitglieder kenne, werde die Entscheidung Roms nicht spaltend, sondern eher solidarisierend und festigend wirken. Eine offizielle Stellungnahme des OA erwartet er noch in dieser Woche.

Kenner des Werkes erwarten, daß das Engelwerk sich Rom unterwerfen wird, schließen aber keineswegs aus, daß ein beträchtlicher Teil des O A - eventuell offen, eher aber im Untergrund - an den Bitterlich-Theorien festhalten wird.

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